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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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närrischen Tumult der Lobelien am Wegrand des Zentrums von Hunstanton, wissen Sie, wem Sie das zu verdanken haben. Dem sei, wie es wolle. Über die übliche silberne Suppenschüssel zur Geburt und die halbjährliche Fünfpfundnote hinaus waren meine Beiträge zu Christophers moralischem Wohlergehen gering. Ich muß gestehen, daß Christopher, mein Patensohn, ein Kind ist, das mir eine ziemliche Ehrfurcht einflößt.«
    Adrian versuchte sich vorzustellen, wie dem Professor irgend etwas ziemliche Ehrfurcht einflößte.
    »Der Junge hat bemerkenswertes Talent, wissen Sie«, sagte Trefusis und legte behutsam eine Fischgräte auf denTellerrand. »Seine mathematischen Fähigkeiten als Kind waren einfach frappierend. Von früher Kindheit an offenbarte er beinahe übernatürliche Fähigkeiten. Er konnte große Zahlen in Null Komma nichts multiplizieren, hatte sämtliche Zirkustricks drauf. Aber zusätzlich zu seinem arithmetisch großartigen Gehirn hatte er einen wunderbaren Verstand, und man nahm an, er würde den Weg nach Trinity beschreiten und zum Felde reiner Mathematik etwas beitragen, bevor er noch die Dreißig erreicht haben würde oder was auch immer bei Mathematikern das Jahr des Herrn ist.«
    »Ich glaube, mit sechsundzwanzig sind die heutzutage schon auf dem absteigenden Ast«, sagte Adrian. »Wie alt ist er jetzt?«
    »Achtzehn oder so. Er hat Glück, sollte man denken, einen Vater zu haben, der stolz auf seine Gaben ist und der sich überdies glücklich schätzen würde, würde er diese der Alma mater widmen, im Dienste der Gelehrsamkeit, zum Heil der reinen Kunst reiner Mathematik. Viele Väter vergleichsweise bescheidenen Einkommens hätten einen schlauen Sohn als den Weg zum Reichtum angesehen. Mein Sohn der Kapitalanleger, mein Sohn der Anwalt, mein Sohn der Buchhalter. Tom war fähig und ohne Groll in der Lage, das Kind auszugeben als ›mein Sohn, der übergeschnappte Mathematiker mit grindigem Haar und flaschendicken Brillengläsern‹.«
    »Und …?«
    »Vor drei Jahren wurde Christopher ein Stipendium für eine Privatschule in Suffolk gewährt: Das Geld kam von einer Institution, von der Tom nie auch nur gehört hatte. Anscheinend schlägt diese Organisation jetzt vor, Christopher in Cambridge zu lancieren. Dort wird er aber nicht reine Mathematik studieren, sondern Ingenieurwissenschaften.Was Tom beunruhigt, ist, daß diese Organisation sich für Christopher nur seines Gehirnpotentials wegen interessiert. Nach der Universität wollen sie, daß er in die Industrie geht.«
    »Was ist das für eine Organisation?«
    »Dazu komme ich gleich. Tom meint, daß Christopher sich nicht so früh festlegen sollte. Er fürchtet, daß diese Organisation seinen Sohn letztlich einkauft. Deswegen kam er zu mir und fragte mich, ob ich etwas über die wüßte. Ich war zu bestätigen imstande, daß ich das tat. Ich kenne sie seit einiger Zeit.«
    »Wer sind sie?«
    »Wir sollten aufbrechen. Den Rest erzähle ich Ihnen unterwegs. Was wäre ein angemessenes Scherflein, meinen Sie?«
    Adrian sah aus dem Rückfenster.
    »Sie folgen uns doch!«
    »Wie frustrierend für sie. All die Pferdestärken unter der Haube, und sie sind gezwungen, ihren Schritt auf unsere kärglichen neunzig Kilometer pro Stunde zu beschränken.«
    Während Trefusis noch sprach, scherte der BMW nach links aus und überholte sie. Adrian erhaschte einen Blick auf das Gesicht des Fahrers, aufmerksam und gespannt hinter dem Steuerrad.
    »Tatsächlich derselbe Mann. Britische Nummernschilder. Rechtssteuerung. GB-Aufkleber am Heck. Aber warum hat er uns überholt?«
    »Vielleicht Ablösung«, sagte Trefusis, »jemand anders nimmt die Verfolgung auf. Es ist nicht gerade ein Problem, ein Auto dieses Alters und mit diesem Aussehen zu identifizieren.«
    Adrian sah ihn prüfend an. »Sie geben also zu, daß wir verfolgt werden?«
    »Das habe ich nie ausgeschlossen.«
    Adrian warf sich ein Malzbonbon in den Mund. »Sie erzählten gerade von dieser Organisation, die Ihrem Patenkind die Schule bezahlt hat.«
    »Ich bin während der letzten Jahre zunehmend aufmerksam geworden«, sagte Trefusis, »auf etwas, was man nur noch eine Verschwörung im großen Maßstab nennen kann. Ich mußte zusehen, wie die talentiertesten, fähigsten und vielversprechendsten Studenten, die St. Matthew’s und andere Colleges in Cambridge und anderen Universitäten Englands durchlaufen … ich mußte zusehen, wie sie aufgekauft wurden.«
    »Aufgekauft?«
    »Erworben. Erstanden. Gekriegt.

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