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Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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auf dem Aktenschrank gestanden hatte. Schön, dann würde er eben beides ersetzen müssen. Der Aktenschrank selbst, in dem sich alle seine Kontoauszüge und Investmentbelege befanden, war noch abgeschlossen. Ein verbogenes Küchenmesser im Papierkorb verriet ihm, dass jemand es mit der Brachialmethode probiert hatte. Der Schlüssel zu dem Aktenschrank lag in seiner Nachttischschublade, woraus man schließen konnte, dass niemand allzu gründlich gesucht hatte. Schreibtischschubladen standen offen, deren Inhalt war durchwühlt oder auf den Boden gekippt worden. Alles ließ sich wieder richten.
    Die Bestandsaufnahme hatte ihm etwas Kraft zurückgegeben. Wenn er die Aufgabe gehabt hätte, jemandes Wohnung auseinanderzunehmen, dann wäre er vermutlich weit gründlicher, weit professioneller vorgegangen. Das hier war kleinlich und boshaft und sonst gar nichts. Calloway hatte die Grundregel des Geschäfts vergessen, jeden Geschäfts: Man durfte nie zulassen, dass es persönlich wurde.
    Im Schlafzimmer fand er ein Päckchen mit einer letzten Zigarette, und die rauchte er auf dem Balkon, während er über die Stadt hinwegblickte. Vögel sangen, und er glaubte sogar die fernen Laute von Tieren zu hören, die im Zoo auf dem Corstorphine Hill allmählich aufwachten. Als er mit der Zigarette fertig war, ging er in die Küche, öffnete einen Schrank und holte Kehrschaufel und Handfeger heraus. Seine Putzfrau kam immer freitags, aber er vermutete, dass das Chaos hier über ihre normalen Pflichten hinausgegangen wäre. Er kehrte ein paar Scherben des Bildschirms zusammen, aber dann überkam ihn wieder die Müdigkeit. Er ließ sich auf dem Sofa nieder, schloss die Augen und rief sich ins Gedächtnis, wie alles begonnen hatte – mit Gissings scheinbar beiläufiger Bemerkung: Repatriierung einiger dieser armen eingesperrten Kunstwerke … Wir wären Freiheitskämpfer … Mike hatte über die Durchführbarkeit der Idee nachgedacht, und dann war er in der National Gallery noch einmal Chib Calloway begegnet, dem Gangster, der so versessen darauf war, etwas über Kunst zu erfahren – oder zumindest darüber, wie viel sich damit verdienen ließ. Später hatte Mike Gissing gesagt, dass sie die Sache durchziehen sollten. Er war davon ausgegangen, dass ihr Angriffsziel eines der Finanzzentren der Stadt sein würde – eine Bank oder vielleicht Versicherungsgesellschaft –, aber Gissing hatte anderes im Auge gehabt …
    »Und ob!«, sagte Mike laut und hob das Glas in widerwilliger Anerkennung von Gissings Plan.
    Von ihnen dreien – Gissing, Allan und Mike – war Mike der Einzige, der sich die Bilder, die sie stehlen wollten, unter Umständen hätte leisten können. Aber warum hatte er dann eingewilligt? Und nicht nur eingewilligt, sondern sich gelegentlich sogar so gebärdet, als wäre er die eigentliche treibende Kraft. Warum hatte er das getan?
    »Weil ich eine verdammte Stradivari in Ihren Händen war, Professor«, erklärte er dem leeren Zimmer. Gissing war es nur recht gewesen, nach außen hin lediglich die zweite Geige zu spielen – und dadurch weniger Verdacht auf sich zu lenken. Ein Jahr zuvor hatte er schon exakt den gleichen Coup geplant, da allerdings noch keine Komplizen finden können.
    Dann aber waren Allan und Mike in seinen Dunstkreis getreten, und er hatte ihnen auf den Zahn gefühlt … ihr Potenzial ausgelotet.
    Und sie für nahezu perfekt befunden.
    Und alles nur, weil Mike sich gelangweilt hatte. Und natürlich gierig gewesen war – er hatte Beatrices Porträt begehrt … etwas, das er niemals hätte besitzen können, egal, wie reich er war oder noch werden mochte. Dann kam noch Calloway hinzu, der ihm Einblicke in eine ganz andere Welt gewährte. Auf der Schule hatte sich Mike geradezu danach verzehrt, in Calloways Gang aufgenommen zu werden, eine Gruppe, deren Hierarchie eher auf Kraft und Brutalität beruhte als auf Grips und List. In seinem ersten Jahr auf der Uni hatte er über sämtliche Stränge geschlagen. Er fing in der Kneipe des Studentenwerks unmotiviert Schlägereien an und benahm sich auf Partys völlig unberechenbar. Irgendwann war er schließlich zur Vernunft gekommen und hatte angefangen, sich anzupassen, sich einzugliedern …
    »Jekyll und Hyde«, murmelte er in sich hinein.
    Eines ließ ihm noch immer keine Ruhe. Hatten Calloway und Gissing unter einer Decke gesteckt? Mike glaubte das nicht, was bedeutete, dass seine Begegnung mit dem Gangster im Museum wirklich Zufall gewesen war – und damit

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