Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
Vom Netzwerk:
»in der Snooker-Halle« auf ihn warten.
    »Ganz sicher?«, hatte Johnno mit einem finsteren Blick gefragt. Er rieb sich schon die ganze Zeit das Handgelenk, als hätte er es sich verstaucht. Wahrscheinlich, dachte Mike, bei einer Prügelei.
    »Ganz sicher«, hatte Chib geantwortet.
    »Aber was, wenn der Wikinger …?«
    Ohne darauf weiter einzugehen, hatte Chib Gas gegeben und Johnno und Glenn auf dem Bürgersteig stehen lassen. Mike hatte sich nicht getraut zu fragen, wer oder was »der Wikinger« sei. Dafür hatte Chib sich zu ihm gewandt und eine Frage gestellt. »Also, was hast du auf dem Herzen, Mike?«
    Und Mike hatte es ihm erzählt, von Anfang an, fast so, als wäre das eine Geschichte, die er irgendwo gehört hatte. Es gibt eine Kunstsammlung in der Stadt, von deren Existenz nicht viele wissen … Und es gibt offenbar eine Möglichkeit, sich ein paar dieser Gemälde abzugreifen, ohne dass jemand was davon merkt …
    Das musste man Chib schon lassen – er hatte nicht lange gebraucht, um zu kapieren, worum es ging.
    Mittlerweile standen sie auf einem Parkplatz im Holyrood Park, auf der Rückseite des Arthur’s Seat. Mike verirrte sich selten da hinauf: Es war ein Ort für Hundebesitzer und Touristen. Man bog um eine Kurve und hatte plötzlich ein phänomenales Panorama der Stadt vor sich! Aber kaum ein paar Schritte weiter fühlte man sich von purer Wildnis umgeben, da der felsige Buckel von Arthur’s Seat einem vorgaukelte, meilenweit von jeglicher Zivilisation entfernt zu sein.
    »Zum Wohl der Kunst«, sagte Chib noch einmal kopfschüttelnd. Dann aber schniefte er, rieb sich mit dem Finger unter der Nase und bat Mike, das Ganze noch einmal zu wiederholen. Nur dass Chib diesmal Fragen, Bedenken und eigene Ideen äußerte. Die Ideen waren zu kompliziert, aber Mike hörte geduldig zu, während sein Herz raste. Schon als er ins Auto eingestiegen war, hatte er einen Schauder der Erregung gespürt; eigentlich schon länger. Während er draußen vor dem Pub gewartet hatte und Büroangestellte und Gäste an ihm vorübereilten, hatte er sich gefragt, was sie sagen würden, wenn er damit herausgeplatzt wäre, auf wen er eigentlich wartete und was er mit ihm besprechen wollte.
    Ich stelle ein Team zusammen …
    Ich führe eine Gang an …
    Der Coup des Jahrhunderts …
    Und dann, als der Wagen vorfuhr, hatte er beim Anblick der zwei Gorillas im Fond ein ungutes Gefühl gehabt. Er konnte nicht umhin, an all die anderen Leute zu denken, die über die Jahre eine Spritztour mit Chib Calloway unternommen haben mochten und nie wieder aufgetaucht waren. Aber was Mike in erster Linie verspürte, war ein Hochgefühl. Chib hatte etwas Wildes an sich. Während der ersten Woche auf der Highschool hatten sich die älteren Jungs die schwächsten Neuankömmlinge vorgenommen und sie lustlos vermöbelt. Chib war dank des Rufs, der ihm vorausging, schon von den Größeren akzeptiert worden. Das hatte Mike nicht weiter gestört: immer noch besser vertrimmt als vollkommen ignoriert zu werden. Aber später hatte Chib genau das getan – ihn ignoriert. Und ein paar Jahre später war er von der Schule abgegangen … abgegangen worden , nachdem er seinem Chemielehrer einen Kopfstoß verpasst hatte; zurück war nur sein legendärer Ruf geblieben. Es hatte nach wie vor Schläger und Banden gegeben, aber niemanden wie Chib. Ab der vierten Klasse war es Mike gewesen, der die Rotznasen vertrimmte …
    Danach war Mike aufs College gegangen, hatte eine Wohnung am Rand der New Town gefunden. Und von ein paar Schlägereien abgesehen, hatte er es geschafft, seine Vergangenheit weit hinter sich zu lassen – Eltern tot, seine einzige Schwester in Kanada. Er hatte den Eindruck, dass Chib sich nicht lediglich auf Wut und das Bedürfnis, das Alphamännchen zu sein, reduzieren ließ. In diesen stechenden Augen war Intelligenz zu erkennen und ein unbestimmter Hunger – vielleicht nach Wissen. Möglicherweise begann der Gangster zu erkennen, wie eng seine Welt geworden war.
    Und möglicherweise, gestand Mike sich ein, passierte das Gleiche gerade mit ihm.
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stieg Chib aus dem Wagen und schlenderte zum Rand des Parkplatzes, von wo aus er einen Blick auf einen nahe gelegenen Teich hatte. Mike beschloss, ihm zu folgen, und steckte sich eine Zigarette an, sobald er aus dem Wagen war. Seine Hände zitterten, aber nur ein kleines bisschen. In der Mitte des Teichs lag eine kleine Insel mit einem brütenden weiblichen Schwan, vor

Weitere Kostenlose Bücher