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Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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vielleicht Kino oder eine Show. Sie tauschten Neuigkeiten und Klatsch aus, Gerüchte und Anekdoten. Manchmal überließ er ihr sogar die Rechnung. Seine Frau war vor ein paar Jahren an Lungenkrebs gestorben – eine fürchterliche Art zu sterben; bei seiner Mum war es das Gleiche gewesen. Er hatte Liz schon lange vor ihrer Heirat gesagt, dass er keine Kinder wolle, nicht wolle, dass sie das Gleiche durchmachen müssten, was er mit seiner Mum durchgemacht hatte. Sein Dad war ihm auch keine große Hilfe gewesen – hatte sich jeden Abend die Flasche geschnappt, um anschließend in seinen Klamotten einzuschlafen. Bist ja ’n richtiges Sonnenscheinchen, was?, hatte Liz gemeint, als er ihr das zum ersten Mal erzählte. Er war ganz schön wütend geworden, dass sie so schnodderig darüber redete, hatte sich jedoch nichts anmerken lassen – so sehr hatte er sie geliebt.
    Der heutige Treffpunkt war ein ziemlich neues Restaurant in einem der aufpolierten Stadtteile von Leith. Chib erinnerte sich an die Zeit, als es in Leith nur die Docks und harte Kerls gegeben hatte, Kneipen mit Puffs im Obergeschoss und Tattoo-Studios mit Speed unter der Ladentheke für diejenigen, die Bescheid wussten. Diese Seite von Leith existierte zwar nach wie vor, aber ein Großteil des Hafenviertels war aufgemotzt worden, elegante Bars hatten geöffnet, Zolllager waren zu Apartmenthäusern umgebaut worden. Chib dachte oft darüber nach, was aus den Ureinwohnern geworden war, als diese Generalüberholung stattgefunden hatte. Die ganze Stadt veränderte sich. Dort, wo Chib wohnte, hatte vor zehn, zwölf Jahren noch kein einziges Haus gestanden; jetzt besaß das Viertel sogar einen eigenen Bahnhof. Manchmal war es schwierig, mit der Entwicklung Schritt zu halten.
    Er hatte den Rest des Nachmittags über Mikes wahnwitzigen Plan nachgegrübelt, mit dem Ergebnis, dass er drei Partien Snooker am Stück verloren und Johnno scherzhaft gemeint hatte, da stecke wohl eine Frau dahinter. In der Billardhalle roch es irgendwie komisch; Chib fragte sich, warum ihm das nicht schon früher aufgefallen war. Es war ein widerlicher, säuerlicher Geruch, den man nicht wieder aus der Nase bekam. Altmännerschweiß und Hoffnungslosigkeit; schlechte Ernährung und vergeudete Zeit. Ganz anders hier – der Koch hatte vor Kurzem seinen ersten Michelin-Stern bekommen. Meeresfrüchte garten, und die Hilfsköche hackten emsig Gemüse. Zwischen der Küche und dem Speiseraum befand sich ein großes Fenster, so dass man alles mitbekam, was das Personal tat. Das gefiel Chib. In seiner Kindheit hatte der Besitzer seines Stamm-Chip- Shops gewohnheitsmäßig in die Fritteuse gespuckt, um festzustellen, ob das Bratfett heiß genug war. Bei der bloßen Erinnerung daran drehte sich Chib jetzt der Magen um.
    Er hatte sich selbst ans Steuer des Bentleys gesetzt und war zu früh da gewesen. Er mochte es nicht, wenn Johnno und Glenn mitkamen, selbst wenn sie dann im Auto blieben oder an einem weit entfernten Tisch aßen. Am nächsten Tag stellten sie dann regelmäßig »witzige« Fragen wie, ob seine »gute Bekannte« schnarche und wie sie ihre Eier zum Frühstück bevorzuge … Als er ihnen heute erklärte, sie seien überflüssig, hatten sie ihn wieder an den Wikinger erinnert. Obwohl sie sich in der Stadt umgehört und ihre Fühler ausgestreckt hatten, war er wie vom Erdboden verschluckt. Er konnte jeden Augenblick auftauchen …
    »Ganz sicher, dass du uns nicht dabeihaben willst, Boss?«
    »Hundert Pro.«
    Wie er so an seinem Ecktisch saß – mit freiem Blick auf den Eingangsbereich –, wurde Chib bewusst, dass er die ganze Zeit die Bilder an den Wänden betrachtet hatte. Nicht mal Reproduktionen von irgendwas Vernünftigem, bloß so Gekleckse, im Dutzend gekauft, um den blassgelben Putz zu beleben. Nach seinem Besuch im Auktionshaus hatte er alles Mögliche zum Thema gelesen. In einem Buchladen im Zentrum hatte man ihm verschiedene »Grundwerke« empfohlen – genau das Wort hatte die Verkäuferin gebraucht. Bei »Grund–« musste Chib an »Grundschule« denken, also hatte er sich sofort aufgeregt und erklärt, er sei nicht zurückgeblieben, herzlichen Dank auch, bis die Verkäuferin mit zittriger Stimme erklärte, was sie meinte. Danach waren sie prima miteinander ausgekommen. Jetzt fiel ihm bei »Grundschule« seine Highschoolzeit ein. Komisch, dass er sich an Mike nicht erinnern konnte. Den Typ erkannte er allerdings wieder: nach wie vor wild darauf, von den taffen Jungs zur

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