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Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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darstellen, was jeder einzelne Künstler zustande bringen konnte … eine ganze Geschichte hinter jedem Pinselstrich, jeder wohlüberlegten Platzierung von Gegenstand oder Person …« Gissing drückte Daumen und Zeigefinger aneinander, als hielte er einen winzigen Pinsel. »Sie gehören uns allen, sie sind Teil unseres kollektiven Bewusstseins, des Werdens unserer Nation … unserer Geschichte.« Jetzt war er in seinem Element. Mike sah Lauras Blick und zwinkerte ihr zu: Sie hatten diese Rede – oder Variationen davon – schon viele Male gehört. »Sie gehören nicht in irgendwelche Chefetagen«, fuhr Gissing fort, »in die man nur mit einem Sicherheitsausweis hineinkommt. Ebenso wenig gehören sie in den Tresorraum irgendeiner Versicherung oder in die Jagdhütte eines Industriekapitäns …«
    »Oder in die Wohnung eines Selfmademillionärs«, spöttelte Allan, aber Gissing wackelte mit einem wurstdicken Zeigefinger vor seiner Nase herum.
    »Ihr Typen von der First Caly seid überhaupt die Schlimmsten – schmeißt unreifen jungen Talenten Geld in den Rachen, bis sie größenwahnsinnig werden!« Er legte eine kurze Pause ein, um wieder zu Atem zu kommen, und ließ dann erneut eine Pranke auf Mikes Schulter fallen. »Aber ich will kein Wort gegen unseren jungen Mike hören.« Mike zuckte leicht zusammen, als Gissings Griff sich fester um seine Achsel schloss. »Besonders, weil er mir gleich einen Kübel Whisky spendieren wird.«
    »Dann lass ich euch Jungs mal allein«, sagte Laura und wedelte mit den Fingern ihrer freien Hand ein Bye-bye. »Die Auktion ist heute in einer Woche … unbedingt notieren!« Bevor sie sich abwandte, schien sie Mike noch ein spezielles, ganz persönliches Lächeln zu schenken.
    »Shining Star?«, schlug Gissing vor. Es dauerte einen Moment, ehe Mike begriff, dass er von der Weinbar die Straße runter sprach.
     
    2
     
    Ein niedriger, fensterloser Souterrainraum mit Mahagoniverschalten Wänden und braunen Ledersesseln. Früher einmal hatte Gissing sich beklagt, man fühle sich dort wie in einem gut gepolsterten Sarg.
    Sie hatten sich angewöhnt, nach Besichtigungsabenden und den eigentlichen Auktionen im Shining Star einzukehren, um eine, wie Gissing es formulierte, »Manöverkritik« vorzunehmen. An dem Abend war das Lokal halb voll – von Studenten, wie es aussah, wenngleich von der betuchten Sorte.
    »Wohnen alle in Papis Zweitwohnung in Stockbridge«, knurrte Gissing.
    »Sind und bleiben aber trotzdem Ihre Brötchengeber«, frotzelte Allan.
    Sie fanden eine leere Nische und warteten auf die Bedienung, um ihre Bestellungen aufzugeben – Whisky für Gissing und Mike, Hausschampus für Allan.
    »Ich brauch ein Glas von dem richtigen Stoff, um die böse Erinnerung zu ertränken«, erklärte er.
    »Das war mein völliger Ernst, wissen Sie«, erklärte Gissing und rieb die Hände aneinander, als ob er sie einseifte. »Was ich über all diese Kunstwerke im Serail gesagt habe … das war mein völliger, tödlicher Ernst.«
    »Das wissen wir«, sagte Allan. »Aber Sie predigen den schon Bekehrten.«
    Robert Gissing war der Leiter des städtischen College of Art am Lauriston Place, würde es aber nicht mehr lange sein. Zum Ende des Sommersemesters, in ein, zwei Monaten, wollte er in den Ruhestand gehen. Er schien allerdings fest entschlossen zu sein, seine vielfaltigen Ansichten bis zum allerletzten Moment zu vertreten.
    »Ich kann einfach nicht glauben, dass die Künstler das so gewollt hätten«, beharrte Gissing.
    »War es nicht früher so«, wandte Mike ein, »dass die alle ganz scharf auf Gönner waren?«
    »Dieselben Gönner haben wichtige Werke oft ausgeliehen«, antwortete Gissing scharf, »an die Nationalsammlungen und andere Museen.«
    »Die First Caly tut das Gleiche«, gab Mike zu bedenken und warf Allan einen Bestätigung heischenden Blick zu.
    »Das stimmt«, pflichtete ihm Allan bei. »Wir schicken Bilder überallhin.«
    »Aber das ist nicht dasselbe«, knurrte Gissing. »Heutzutage zählt nur das Geld, während es eigentlich darum gehen sollte, sich an den Werken als solchen zu erfreuen.« Er ballte die Faust und knallte sie auf den Tisch.
    »Nur die Ruhe«, sagte Mike. »Die Bedienung glaubt sonst, wir wären ungeduldig …« Er sah, dass Allan zum Tresen starrte. »Hübsche Kellnerin?«, fragte er und wollte sich schon umdrehen.
    »Nicht!«, zischte Allan mit gesenkter Stimme und beugte sich konspirativ über den Tisch. »Drei Männer an der Bar, köpfen gerade eine

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