Der Mackenzie Coup
Junge, den jeder kennen wollte.«
»Kennen oder sein?«
Mike sah Allan an. »Vielleicht hast du recht. Muss erhebend sein, ein solches Gefühl von Macht zu verspüren.«
»Macht, die sich auf Angst stützt, ist einen Dreck wert«, knurrte Gissing. Als die Kellnerin sein Glas durch ein neues ersetzte, fragte er sie, ob Calloway Stammgast sei.
»Kommt ab und zu«, sagte sie. Mike fand, dass sie wie eine Südafrikanerin klang.
»Spendabel?«, fragte er sie.
Die Frage schien ihr nicht zu gefallen. »Hören Sie, ich arbeite hier nur …«
»Wir sind keine Bullen oder so«, beruhigte Mike sie. »Bloß neugierig.«
»Ungesunde Eigenschaft«, entgegnete sie und wandte sich ab.
»Hübsch gebaut«, sagte Allan mit Kennerblick, sobald sie außer Hörweite war.
»Fast so hübsch wie unsere liebe Laura Stanton«, fügte Gissing mit einem Zwinkern in Mikes Richtung hinzu. Als einzige Reaktion erklärte Mike, er würde auf eine Zigarette nach draußen gehen.
»Kann ich dich um eine anhau’n?«, fragte Allan wie üblich.
»Und einen alten Mann allein lassen?«, spielte Gissing den Beleidigten und schlug die erste Seite des Katalogs auf. »Aber bitte, nur zu – ist mir doch egal …«
Mike und Allan drückten die Tür auf und stiegen die fünf Stufen von der Souterrainbar hinauf zum Bürgersteig. Es war gerade erst dunkel geworden und die Straße voll von werktäglich leeren Taxis auf der Suche nach Fahrgästen.
»Jede Wette«, sagte Allan, »dass er, wenn wir wieder reinkommen, gerade jemandem die Ohren volllabert.«
Mike zündete die beiden Zigaretten an und inhalierte tief. Er war auf vier bis fünf pro Tag runter, aber ganz aufzuhören schaffte er nicht. Soweit er wusste, rauchte Allan nur, wenn er mit Rauchern zusammen war – spendablen Rauchern. Mike schaute links und rechts die Straße entlang, aber von Calloway und seinen Paladinen keine Spur. Es gab mehr als genug andere Bars, in denen sie jetzt sein konnten. Er erinnerte sich an die Fahrradschuppen in der Schule – es hatte da tatsächlich Fahrradschuppen gegeben, auch wenn sie lediglich für improvisierte Fußballspiele verwendet wurden. Dahinter versammelten sich in der großen Pause und mittags immer die Raucher und scharten sich um Chib, der – schon in diesem frühen Stadium seiner Laufbahn Träger dieses Spitznamens – Zehner- oder Zwanzigerpäckchen aufmachte und die Kippen einzeln zu Schwarzmarktpreisen verkaufte und dazu noch fünf Pence für einmal Feuergeben verlangte. Mike hatte damals noch nicht geraucht, sondern nur an der Peripherie des Geschehens herumgelungert und auf irgendeine Art Aufnahme in die Bruderschaft gehofft – auf eine Einladung, die nie gekommen war.
»Nichts los in der Stadt heute Abend«, stellte Allan fest und schnippte Asche in die Luft. »Die Touristen bleiben offenbar in ihren Löchern. Ich frag mich immer, was die wohl von dem Ganzen halten. Ich meine, wir sind hier zu Hause; es ist schwer, die Stadt aus einer anderen Perspektive zu betrachten.«
»Das Problem, Allan, ist, dass auch Leute wie Chib Calloway hier zu Hause sind. Zwei Edinburghs, die sich ein einziges Nervensystem teilen.«
Allan wedelte mit dem Zeigefinger. »Du denkst an diese Sendung gestern Abend, auf Channel 4 … die siamesischen Zwillinge.«
»Ich hab ein Stück davon gesehen.«
»Du bist wie ich – zu viel Glotze. Irgendwann sind wir Tattergreise und fragen uns, warum wir nicht mehr aus unserem Leben gemacht haben.«
»Herzlichen Dank auch.«
»Du weißt schon, was ich meine: Wenn ich dein Geld hätte, würde ich mit einer Yacht durch die Karibik schippern, mit meinem Privatheli auf dem Dach von diesem Hotel in Dubai landen …«
»Du willst damit sagen, ich verkümmere?« Mike musste an Gerry Pearson denken, an E-Mails mit Fotos von Rennbooten und Jetskis …
»Ich will damit sagen, dass du dir schnappen solltest, was du kriegen kannst – die liebliche Laura eingeschlossen. Wenn du jetzt zum Auktionshaus flitzt, erwischst du sie noch. Führ sie aus.«
»Führ sie wieder aus«, korrigierte ihn Mike. »Erinner dich, wie es letztes Mal ausgegangen ist.«
»Du gibst zu schnell auf.« Allan schüttelte bedächtig den Kopf. »Ich kann gar nicht glauben, dass du’s je geschafft hast, zu Geld zu kommen.«
»Hab ich aber, oder?«
»Unbestreitbar. Aber …«
»Aber was?«
»Ich hab einfach das Gefühl, dass du dich damit noch immer nicht angefreundet hast.«
»Ich protz nicht gern damit, falls du das meinst. Reib anderen Leuten nicht
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