Der männliche Makel: Roman (German Edition)
Eloise, aber das wissen Sie ja.«
Sie wusste das zwar nicht, da er sie in all den Jahren ihrer Zusammenarbeit stets nur kühl, sachlich und distanziert behandelt hatte, doch sie lächelte dennoch höflich.
»Allerdings fürchte ich, dass Ihnen aus dieser Sache niemand heraushelfen kann. Sicher brauche ich Ihnen nicht zu sagen, dass der Vorstand die Angelegenheit als einen schweren Fall von unprofessionellem Verhalten werten wird. Immerhin sind Sie eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und allgemein bekannt. Vermutlich wird die Konkurrenz sich die Hände reiben, wenn sich das herumspricht. Die Chefredakteurin einer seriösen Zeitung muss über jeglichen Tadel erhaben sein, und leider …«
Eloise war ihm wirklich dankbar, dass er den Satz nicht beendete.
»Hören Sie, Eloise«, fuhr er in einem gütigen Tonfall fort, der sie überraschte. »Sie sind eine kluge Frau. In Ihrer Position kommt Ihnen sicher einiges zu Ohren. Außerdem läuft Ihr Vertrag ohnehin in wenigen Wochen aus. Falls Sie also etwas von, sagen wir mal, einem Konkurrenzblatt erfahren, schauen Sie sich die Sache an. Vielleicht sollten Sie auch mit ein paar Headhunting-Agenturen sprechen. Ich werde in der Chefetage ein gutes Wort für Sie einlegen und Ihren Abschied so würdevoll wie möglich gestalten. Ich stelle Ihnen auch gerne ein ausgezeichnetes Arbeitszeugnis aus. Natürlich werden Sie sich mit dem gesamten Vorstand treffen müssen, um die Angelegenheit weiter zu erörtern. Je früher, desto besser. Ich erledige die notwendigen Anrufe, damit alles so schnell wie möglich über die Bühne geht.«
Sie brachte keinen Ton mehr heraus und konnte sich weder rühren noch verstehen, was er ihr durch die Blume mitzuteilen versuchte. Stattdessen waren da nur ein Gefühl der Benommenheit und die Erwartung des scharfen Schmerzes, der noch kommen würde.
»Aber ich muss wohl kaum betonen, dass es nicht gut für Sie aussieht. Ganz und gar nicht.«
»Ich weiß«, flüsterte sie. Ihr war von Anfang an klar gewesen, dass es darauf hinauslaufen würde, wenn die Wahrheit über Jake jemals ans Licht kam.
»Darf ich mir noch eine persönliche Anmerkung erlauben?«, fügte Sir Gavin hinzu, während er sich aus dem Sessel hievte und sich zum Gehen anschickte. »Wirklich, Eloise, ein ehemaliger Knastbruder? Ein dahergelaufener Sträfling? Und ausgerechnet Sie lassen sich mit so jemandem ein. Sie wissen doch sicher, dass das der absolute Wahnsinn ist.«
Sie konnte nur wortlos nicken. Natürlich wusste sie das. In letzter Zeit kreisten ja all ihre Gedanken darum.
»Allerdings muss ich zugeben«, lauteten seine abschließenden Worte, »dass ich ziemlich überrascht war, das zu hören. Ich habe Jake für einen vollendeten Gentleman gehalten, als wir uns kennenlernten.«
»Das ist er auch«, brachte sie nur heraus.
Was man von mehr als neunzig Prozent der Leute, mit denen ich zusammenarbeite, nicht behaupten kann, sagte sie sich, als die Tür mit einem entschlossenen und sehr endgültigen Krachen hinter Sir Gavin ins Schloss fiel.
Die Geschichte breitete sich aus wie ein Virus. Eloise stand unter Schock und verbunkerte sich den restlichen Vormittag in ihrem Büro.
Bitte mach, dass es sich nicht herumspricht, schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel. Bitte mach, dass es jetzt ausgestanden ist und dass es nicht noch schlimmer wird … bitte lass mich mit einem blauen Auge davonkommen … ich brauche diesen Job, denn ohne ihn … was bin ich denn ohne ihn …?
Ab und zu keimte Hoffnung in ihr auf. Schließlich, versuchte sie sich Mut zu machen, hatten nur wenige sie zusammen mit Jake gesehen. Sie hatten ihre Freundschaft stets vertraulich behandelt. Wer von den Leuten, mit denen sie täglich Umgang hatte, konnte eine Verbindung zwischen ihr und Jake herstellen? Eigentlich nur Helen und ihre Kollegen.
Wie sie sich zu ihrer Schande eingestehen musste, hätten die meisten von ihnen sie noch vor ein paar Monaten mit Vergnügen an die Medien verhökert. Alles wäre ihnen recht gewesen, um ihrem Dasein als Chefredakteurin ein Ende zu bereiten. Aber das hatte sich inzwischen doch geändert, richtig? Oder machte sie sich da etwas vor? Sie verstand sich inzwischen ja so gut mit allen. Weshalb also sollte ihr jemand ans Leder wollen?
Und so führten ihre Grübeleien immer wieder zu ein und demselben Ergebnis: Hinter dem Debakel konnten nur die hinterhältigen, böswilligen und heimtückischen Machenschaften von Seth Coleman stecken. Natürlich hatte sie nicht die
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