Der männliche Makel: Roman (German Edition)
war sie kreidebleich und wirkte völlig erschöpft, was Jake ebenfalls schleierhaft war. Wie, um Himmels willen, verbrachte diese Frau ihre Freizeit? Hatte sie überhaupt ein Privatleben oder sogar eine Familie? Oder tat sie den lieben langen Tag wirklich nichts anderes als zu arbeiten, zu schlafen und Ex-Knackis zu besuchen? War ihr Leben denn so leer? Fast so leer wie sein eigenes? Das ergab keinen Sinn, was allerdings genauso für die Situation an sich galt. Warum befasste sich eine kluge, erfolgreiche und mitten im Leben stehende Frau wie sie mit seinesgleichen?
Eloise Elliot war eindeutig eine Sphinx, eine geheimnisvolle Frau, die er noch nicht durchschaute. Doch eines Tages würde er es sicher schaffen. Denn wenn er momentan einen Vorteil hatte, dann war es, dass er mehr als genug Zeit zum Überlegen hatte. Aber bis jetzt blieb sie ihm weiterhin ein Rätsel.
»Wissen Sie was?«, eröffnete sie ihm aufgeregt. »Ich habe Neuigkeiten für Sie. Oder eher ein Angebot. Falls Sie interessiert sind.«
»Erzählen Sie mir mehr«, meinte er.
»Nun«, begann sie, »ich habe eine Schwester namens Helen, die ihre Wohnung in Dublin vermietet hat, als sie vor einigen Jahren nach Cork gezogen ist.«
»Okay …«
»Ich werde Sie nicht mit den Einzelheiten langweilen«, fuhr sie fort, »aber meine Schwester lebt inzwischen … äh … anderswo in Dublin, und zwar auf unbestimmbare Zeit. Ihr Mieter ist schon vor Monaten ausgezogen, und sie kann einfach keinen Nachfolger finden. Sie wissen ja, wie schwierig es ist, bei dieser Wirtschaftslage eine Wohnung zu vermieten.«
Jake wusste das zwar nicht, nickte aber höflich.
»Deshalb braucht Helen unbedingt jemanden, der ein Auge auf die Wohnung hat. Sie wollte schon inserieren, doch da habe ich an Sie gedacht. Also gibt es eine leere Wohnung, in der Sie bleiben können, bis sie wieder einen richtigen Mieter hat. Ich dachte … nun, das wäre für ein paar Wochen genau das Richtige für Sie, während Sie sich selbst etwas suchen. Sie liegt am anderen Ende der Stadt. Das heißt, Sie könnten Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Von Ihren alten Freunden wird Sie niemand dort vermuten. Sie würden ihr einen Gefallen tun, wenn Sie die Wohnung hüten. Sie steht jetzt schon seit sieben Monaten leer.«
Er lehnte sich zurück und überlegte.
»Also, was halten Sie davon?«
»Das ist unglaublich großzügig von Ihnen und Ihrer Schwester, aber Eloise …«
Mist. Es zwar zwecklos. Er musste es einfach aussprechen.
»Ich möchte Sie etwas fragen.«
»Nur zu.«
»Warum machen Sie das? Ich meine, weshalb ausgerechnet ich? Sie sind eine viel beschäftigte Frau und haben keine Zeit für so etwas. Wer sind Sie eigentlich? Einer dieser Gutmenschen? Ein verkleideter Engel? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin Ihnen für Ihr Angebot unbeschreiblich dankbar. Ich begreife es nur einfach nicht.«
Sie errötete. Ihm fiel auf, dass sie mit ihrer Antwort zögerte.
»Weil … nun, ich denke … schauen Sie sich doch nur an, Jake … Sie haben so viel Potenzial und ausgezeichnete Abschlussnoten. Sie könnten draußen wirklich etwas aus sich machen und ein neues und besseres Leben anfangen. Ich … ich glaube einfach an Sie, und wenn ich etwas tun kann, um Sie zu unterstützen … bin ich für Sie da. Mehr nicht.«
Er musterte sie eindringlich.
»Ist das die ganze Wahrheit? Sehen Sie mir in die Augen, Eloise. Falls Sie mir etwas verschweigen, werde ich Ihnen auf die Schliche kommen.«
»Tja …«, druckste sie herum. »Es ist ein Teil der Wahrheit.«
»Ein Teil?«
»Ich will es einmal so ausdrücken: Mir wird ständig vorgeworfen, dass ich meinen Beruf wichtiger nehme als meine Mitmenschen. Dauernd muss ich mir anhören, dass ich nichts für andere tue. Und so habe ich mir gedacht, dass das hier meine Chance ist.«
Er nickte, wurde aber dennoch das Gefühl nicht los, dass da noch mehr dahintersteckte. Und zwar um einiges mehr. Nur was?
»Wie dem auch sei«, sprach sie in ihrem befehlsgewohnten Tonfall weiter. »Hätten Sie Lust, die Wohnung zu hüten?«
»Das ist wirklich sehr großzügig von Ihnen. Aber nur unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Ich bestehe darauf, Ihrer Schwester Miete zu bezahlen. Im Voraus und vom ersten Tag an. Daran ist nicht zu rütteln.«
Eloise nickte und schien damit zufrieden zu sein. Dann begann sie, weiter nachzubohren.
»Ach, noch etwas, Jake. Mich würde interessieren, wie Sie nach Ihrer Entlassung Ihren Lebensunterhalt verdienen wollen?«,
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