Der männliche Makel: Roman (German Edition)
eleganten anthrazitfarbenen Hose und einem hellblauen Hemd erschien, das dieselbe Farbe hatte wie seine Augen, erkannte er an ihrer Miene, dass ihr der Anblick gefiel.
»Bist du sicher, dass ich nicht wie ein schwuler Friseur aussehe?«, fragte er unsicher. Außerdem machte es ihn nervös, wie die Verkäufer ihn aufmerksam musterten. »Ich fühle mich nämlich wie einer.«
»Eindeutig nicht. Du siehst …« – sie hielt inne, betrachtete ihn von Kopf bis Fuß und verkündete dann stolz – »… aus wie ein Lehrer.«
Jake fiel fast in Ohnmacht, als er an der Kasse feststellte, dass er gerade knapp fünfhundert Euro ausgegeben hatte. Mit schweißnassen Händen wurde ihm klar, dass er so den Großteil seiner Ersparnisse aufbrauchen würde, mit denen er die Zeit überbrücken wollte, bis er Arbeit gefunden hatte. Und so erklärte er dem Verkäufer in dem teuren Geschäft stammelnd, er habe sich geirrt und werde etwas zurückhängen müssen.
Aber als der ihn schon mit einem arroganten Blick als Verlierer abtun wollte, trat Eloise in aller Seelenruhe an die Kasse und überreichte ihm gelassen ihre Kreditkarte.
»Nein«, zischte Jake. Er lief hochrot an und wäre am liebsten im Erdboden versunken. »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Lieber kaufe ich bei irgendeinem Discounter ein, als dass ich dich bezahlen lasse. Auf gar keinen Fall.«
»Ich bestehe darauf«, entgegnete sie ungerührt. »Außerdem ist es nur ein Darlehen. Diese Kleider sind eine Investition in deine Zukunft. Sobald du dein erstes Monatsgehalt bekommst, zahlst du mir das Geld zurück. Abgemacht?«
Er war zwar überhaupt nicht einverstanden, sondern entsetzlich verlegen und hätte dem Verkäufer am liebsten die arrogante Fresse poliert, als er sein herablassendes Grinsen beim Anblick dieser kleinen Szene bemerkte. Doch da es sich wirklich um ein Darlehen und nichts als ein Darlehen handelte, schluckte er seinen Stolz schließlich hinunter und gab nach. Er würde ihr das Geld zurückzahlen, auch wenn er die Stelle nicht bekam und den Rest seines Lebens als Taxifahrer schuften musste. Jeden einzelnen Cent würde sie von ihm zurückbekommen.
Aber falls er gedacht haben sollte, dass es damit ausgestanden war, hatte er sich zu früh gefreut. Die nächste Station war ein Herrenfriseur in Brown Thomas. Als er sah, wie schrecklich elegant der Laden war, hätte er am liebsten wie ein kleiner Junge die Flucht ergriffen. Eine Innenarchitektur, die angsteinflößend wirken sollte. Wie in einem Herrenclub lagen überall Ausgaben der Financial Times herum, und die Sofas waren mit grünem Leder bezogen. In so einem Salon trafen sich die Richter vom Obersten Gerichtshof, ließen sich rasieren und prahlten dabei mit dem Wert ihrer Weinsammlung.
»Ich verschwinde«, murmelte er und machte auf dem Absatz kehrt.
Doch da hatte er die Rechnung ohne Eloise gemacht. »Du wirst mir noch einmal dankbar sein«, raunte sie ihm ins Ohr. Dann rauschte sie hinein, als gehöre ihr der Laden, und arrangierte, dass er sofort einen Haarschnitt und eine Rasur – in dieser Reihenfolge – verabreicht bekam.
»Aber ich kenne einen Typen in der Liffey Street, der einem für einen Fünfer die Haare schneidet«, protestierte Jake. »Und, verdammt, ich bin durchaus in der Lage, mich selbst zu rasieren, vielen Dank auch.«
Er hatte schon den halben Weg zur Tür geschafft, als er ihren Griff am Arm spürte.
»Der erste Eindruck zählt«, beharrte sie. »Und wenn du zu diesem Vorstellungsgespräch erscheinst, möchte ich, dass du gepflegt, elegant und redegewandt wirkst, also wie der richtige Mann für diese Stelle. Ich habe im Leben schon viele Bewerber eingestellt, bitte vertrau mir. Ich weiß, was ich tue.«
Also hatte er gute Miene zum bösen Spiel gemacht, während Eloise auf ihn wartete, auf ihrem Handy herumtippte, Mails verschickte und im Flüsterton ein langes Gespräch mit einem Menschen namens Marc führte, bei dem es um eine der Kritiken im Feuilleton vom letzten Wochenende ging. Nur der Himmel wusste, was der arme Mann geschrieben hatte, doch soweit Jake der Unterhaltung folgen konnte, war Eloise alles andere als begeistert.
»So geht das nicht. Das musst du überarbeiten«, zischte sie ins Telefon, das sie ans Ohr gepresst hielt, und Jake konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als sie hinzufügte: »So ein überkandideltes Geschwafel ist nämlich genau der Grund, warum die Leute nicht mehr ins Theater gehen. Ach, und noch etwas, deine Kritik der
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