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Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Der männliche Makel: Roman (German Edition)

Titel: Der männliche Makel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Carroll
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armen Rachel zu, die inzwischen ein bisschen besser Luft bekommt.
    »Ich weiß, dass ich deine Zeit nicht so in Anspruch nehmen sollte, Eloise«, stammelt sie. »Es tut mir so leid, dass ich dich damit belästige … aber … aber …«
    »Pst, alles in Ordnung. Erzähl es mir einfach, Liebes. Was ist passiert?«
    »Ich bin gekommen, um zu kündigen. Es tut mir so leid, dass ich dich im Stich lasse, aber ich kann nicht mehr so weitermachen, ich kann einfach nicht.«
    »Sei doch nicht albern«, erwidere ich sanft und kauere mich neben sie auf den Boden. »Du gehst nirgendwohin, bevor du mir nicht genau erklärt hast, was bei dir und Harry los ist. Komm schon. Wir kennen uns jetzt bereits so lange, du kannst mir alles anvertrauen. Über deine Kündigung reden wir später. Zuerst möchte ich wissen, was dir fehlt, das finde ich nämlich viel wichtiger.«
    Festnetzanschluss und Mobiltelefon läuten gleichzeitig und ununterbrochen, aber ich achte nicht darauf. Stattdessen sehe ich sie abwartend an und versuche, sie dazu zu bringen, dass sie redet, sobald sie bereit dazu ist. Sie starrt mich benommen und verdattert an und scheint überrascht, dass ich mich nicht sofort auf die Telefone stürze, sondern mir wirklich Zeit für sie nehme. Als sei die Tatsache, dass wir uns schon so lange kennen, genau der Grund, warum sie sich nicht vorstellen kann, mir zu sagen, was sie bedrückt. Doch offenbar überzeugt sie etwas in meinem Augenausdruck davon, dass der Drachen von einer Chefredakteurin, den sie gewohnt ist, auch eine weiche Seite hat. Denn als der Brandy geliefert wird und ich sie auffordere, auf Ex zu trinken, bekommt sie wieder ein bisschen Farbe und berichtet mir stockend, was geschehen ist. Offenbar hat Harry sich von ihr getrennt. Sie sind seit knapp fünf Jahren zusammen und haben eine niedliche kleine Tochter namens Molly. Und heute Morgen hat der miese Typ ihr eröffnet, er hielte »das nicht mehr aus« und wolle »mit jemandem zusammen sein, der mehr für ihn da« sei. Übrigens wurde diese Nachricht … ja, wirklich … per E-Mail übermittelt.
    Und das ist noch nicht alles. Obwohl er vor etwa sechs Monaten seine Stelle bei einer Computerfirma verloren hat und seitdem von der armen Rachel finanziell abhängig ist, wirft er ihr vor, dass sie zu lange arbeitet. Angeblich müsse Molly aufwachsen, ohne ihre eigene Mutter wirklich zu kennen, während er unfairerweise in die Rolle des Hausmanns gedrängt würde.
    Eine Anschuldigung, die reinhaut wie der Biss einer Giftschlange. Schließlich habe ich sie mir in der Vergangenheit oft genug gefallen lassen müssen. Es kotzt mich an, dass eine Frau bestraft und als Rabenmutter hingestellt wird, nur weil sie gezwungen ist, zu arbeiten und den Laden am Laufen zu halten.
    »Mistkerl!«, sage ich immer wieder. »So ein feiger Mistkerl!«
    »Entschuldige, Eloise«, meint Rachel und schickt sich auf zitternden Knien zum Gehen an. »Ich sollte dich nicht damit belästigen, weil du so viel zu tun hast. Aber jetzt weißt du ja, warum mir nichts anderes übrig bleibt, als zu kündigen. Er ist für immer weg, und deshalb kann ich wegen Molly nicht mehr so lange arbeiten. Und das ist in meinem Job Gift, richtig? Du brauchst eine Assistentin, die immer da ist, wenn du es bist. Ansonsten wäre es unfair. Und so … so … bleibt mir eben nichts anderes übrig. Ich muss hier aufhören. Oder?«
    Der nächste Weinkrampf sorgt dafür, dass ich mich hastig nach einer neuen Schachtel Kleenex umsehe und sie ihr hinhalte.
    »Rachel«, beginne ich, »wenn ich dir eine ehrliche Frage stelle, kriege ich dann auch eine ehrliche Antwort?«
    Sie nickt schwach.
    »Willst du das wirklich? Willst du wirklich kündigen?«
    Dann füge ich spöttisch hinzu: »Bin ich als Vorgesetzte wirklich so ein Drache?«
    »Nein! Nein, ganz und gar nicht. Du weißt, dass ich nie auf das geachtet habe, was die anderen …«
    Gerade noch rechtzeitig hält sie inne.
    »Gut, dann machen wir Folgendes«, erwidere ich sachlich. »Nichts würde mich mehr freuen, als wenn du meine Assistentin bleiben würdest. Also setzen wir heute einen neuen Vertrag auf. Ich kürze deine Arbeitszeit …«
    Als sie mich entsetzt anstarrt, falle ich ihr ins Wort.
    »… natürlich ohne Gehaltseinbußen. Herrgott, Rachel, du bist schon so lange hier wie ich. Du bist meine rechte Hand. Und in all den langen Jahren hast du von mir zu meiner Schande keine einzige Gehaltserhöhung oder Beförderung bekommen. Ich werde eine Volontärin damit

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