Der magische Pflug
Goody Guester. Und wenn Ihr mich jetzt entschuldigen wollt, ich bin etwas müde von der Reise und hatte gehofft, früh zu Bett gehen zu können, obwohl es draußen ja noch hell ist.«
Old Peg stand auf. Sie war gewaltig erleichtert, nicht mehr über Arthur und den Vertrag reden zu müssen. »Ja, natürlich. Aber Ihr werdet doch wohl nicht ins Bett gehen, ohne vorher ein Bad zu nehmen, oder? Es gibt doch nichts Schöneres nach so einer Reise als ein Bad.«
»Da stimme ich Euch gern zu, Goody Guester. Ich befürchte nur, daß mein Gepäck nicht groß genug war, um meine Wanne mitzubringen.«
»Sobald ich zurück bin, schicke ich Horace mit meiner zweiten Wanne vorbei, und wenn Ihr nichts dagegen habt, Euren Ofen hier anzuheizen, dann holen wir aus Gerties Brunnen dort hinten Wasser und kochen es ganz schnell auf.«
»Ach, Goody Guester, ich fürchte, bevor der Abend zu Ende ist, habt Ihr mich doch noch davon überzeugt, daß ich in Philadelphia bin. Das wäre sehr enttäuschend für mich, denn ich hatte mich schon gestählt, die Strapazen eines primitiven Lebens in der Wildnis auf mich zu nehmen, und jetzt stelle ich fest, daß Ihr bereit seid, mir alle Annehmlichkeiten der Zivilisation zu bieten.«
»Ich gehe mal davon aus, daß das, was Ihr gerade gesagt habt, hauptsächlich Danke heißt, und so sage ich, gern geschehen, und ich komme schon gleich mit Horace und der Wanne wieder. Und wagt es nur nicht, Euch Euer eigenes Wasser zu holen. Wenigstens nicht heute. Bleibt einfach da sitzen und lest oder philosopht oder was immer ein gebildeter Mensch tun mag, anstatt wegzudösen.«
Mit diesen Worten war Old Peg auch schon aus dem Bachhaus gesprungen. Sie schwebte förmlich den Weg zum Gasthof entlang. Ja, diese Lehrerin war ja nicht halb so schlimm, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Sie mochte vielleicht eine Sprache sprechen, die Old Peg die halbe Zeit kaum verstand, aber wenigstens war sie bereit, mit den Leuten zu reden – und sie würde Arthur kostenlos unterrichten und außerdem noch im Gasthof Gedichte vortragen. Das Beste, das Allerbeste war vielleicht, daß sie möglicherweise dazu bereit sein würde, ab und zu mit Old Peg zu reden. Dann würde vielleicht etwas von ihrer Bildung auf sie abfärben. Nicht, daß Bildung einer Frau wie Old Peg allzuviel nützen würde, aber was nützte schon ein Edelstein am Finger einer reichen Lady? Und wenn die Gesellschaft dieser gebildeten Jungfer aus dem Osten Old Peg auch nur ein bißchen mehr Verständnis für die große Welt außerhalb von Hatrack River vermitteln sollte, dann wäre das mehr, als Old Peg sich vom Leben erhofft hatte. Das war so, wie wenn man einen kleinen Klecks Farbe auf den Flügel einer schäbigen Motte gab. Das machte aus der Motte zwar keinen Schmetterling, aber vielleicht würde die Motte dann nicht mehr verzweifeln und sich nicht ins Feuer stürzen.
Miss Larner sah Old Peg nach. Mutter, flüsterte sie. Nein, sie flüsterte nicht einmal. Sie öffnete nicht einmal den Mund. Aber ihre Lippen preßten sich beim M ein wenig fester zusammen, und im Mund formte ihre Zunge die anderen Laute.
Es tat ihr weh, Old Peg täuschen zu müssen. Sie hatte versprochen, niemals zu lügen, und in gewissem Sinne log sie ja auch jetzt nicht. Der Name, den sie angenommen hatte, Larner, bedeutete nichts anderes als Lehrerin, und da sie tatsächlich eine Lehrerin war, war es ebenso wahrhaftig ihr Name wie der ihres Vaters Guester und der von Make-peace Smith lautete. Und wenn die Leute ihr Fragen stellten, log sie sie nie an, obwohl sie sich durchaus weigerte, Fragen zu beantworten, bei denen die Leute mehr erfahren würden, als sie wissen sollten, Antworten, die sie zum Nachdenken bringen würden.
Und dennoch – obwohl sie die offene Lüge auf komplizierte Weise umgangen hatte, befürchtete sie, daß sie sich selbst nur etwas vormachte. Wie konnte sie nur glauben, daß ihre getarnte Anwesenheit hier etwas anderes war als eine Lüge?
Doch war selbst diese Täuschung im Kern die Wahrheit. Sie war nicht mehr derselbe Mensch wie damals, als sie die Fackel von Hatrack River gewesen war. Wenn sie behauptet hätte, Kleinpeggy zu sein, dann wäre das eine größere Lüge gewesen als ihre Verkleidung, denn dann würden die Leute glauben, daß sie immer noch dasselbe Mädchen sei, das sie einst gekannt hatten, und sie würden sie entsprechend behandeln. In diesem Sinne war ihre Verkleidung eine Spiegelung dessen, was sie in Wirklichkeit war, wenigstens hier und jetzt
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