Der magische Pflug

er jedenfalls sehr leise.
    »Jetzt wünschte ich mir ein Gewehr«, flüsterte Horace.
    Alvin schüttelte den Kopf. »Wartet ab und schaut zu«, flüsterte er – so leise, daß er kaum die Lippen zu bewegen brauchte.
    Sie warteten. Nach einer Weile sahen sie einen Mann aus dem Wald treten und den Abhang zur schlammigen Uferkante hinabgleiten, wo ein Boot im Wasser schaukelte. Als er niemanden entdecken konnte, schaute er sich um, seufzte und stieg ins Boot, setzte sich am Heck nieder und stemmte düster das Kinn auf die Hände.
    Plötzlich begann Horace zu kichern. »Jede Wette, daß das der alte Po Doggly ist.«
    Sofort beugte sich der Mann im Boot zurück, und Alvin konnte ihn im Mondlicht endlich klar erkennen. Es war tatsächlich Dr. Physickers Kutscher. Doch das schien Horace überhaupt nicht zu stören. Er glitt bereits die Böschung hinunter, stapfte platschend durch das Wasser auf das Boot zu, kletterte hinein und umarmte Po Doggly so heftig, daß das Boot Schlagseite bekam und Wasser einließ. Eine Sekunde später bemerkten sie es und wechselten die Stellung, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt war. Dann holte Po wortlos die Ruder hervor und steckte sie in ihre Pinnen, während Horace mit einem flachen, blechernen Schöpfbecher Wasser schöpfte und es über Bord goß, immer und immer wieder.
    Einen Augenblick staunte Alvin, wie reibungslos die beiden Männer zusammenarbeiteten. Er brauchte nicht einmal zu fragen – er erkannte, daß sie so etwas schon sehr oft gemacht haben mußten. Jeder wußte genau, was der andere vorhatte, so brauchten sie nicht einmal mehr darüber nachzudenken. Jeder hatte seine eigene Rolle, und keiner mußte erst überprüfen, ob der andere richtige Arbeit leistete.
    Es war wie die Stücke und Teilchen, aus denen sich alles auf der Welt zusammensetzte; wie der Tanz der Atome, den Alvin sich vorgestellt hatte. Es war ihm vorher noch nie klargeworden, aber Menschen konnten auch wie diese Atome sein. Die meiste Zeit waren die Menschen völlig unorganisiert; niemand wußte, was der andere war, niemand konnte lange genug stillhalten, um zu vertrauen oder vertrauenswürdig zu werden, genau so, wie sich die Atome in Alvins Vorstellung verhalten haben mochten, bevor Gott ihnen beibrachte, wer sie waren, und ihnen eine Aufgabe stellte.
    Aber hier waren nun zwei Männer, Männer, von denen niemand auch nur geglaubt hätte, daß sie einander besser kannten, als man sich in Hatrack River eben zu kennen pflegte. Po Doggly, ein ehemaliger Farmer, der inzwischen für Dr. Physicker den Kutscher machen mußte, und Horace Guester, der erste Siedler an diesem Ort, dem es immer noch gutging. Wer hätte geglaubt, daß die beiden so reibungslos zusammenpassen würden? Aber das lag daran, daß jeder wußte, wer der andere war, daß er ihn wahrhaftig kannte, so sicher, wie ein Atom den Namen kennen mochte, den Gott ihm gegeben hatte; jeder war an seinem Platz, jeder tat seine Arbeit.
    Alle diese Gedanken rauschten so schnell durch Alvins Geist, daß er kaum bemerkte, wie er sie dachte, und doch sollte er sich noch Jahre später daran erinnern, daß dies das erste Mal gewesen war, da er eins erkannte: Diese beiden Männer erschufen gemeinsam etwas, das ebenso wirklich und solide war wie die Erde unter seinen Füßen, wie der Baum, an dem er lehnte. Die meisten Leute konnten es nicht erkennen – sie hätten die beiden angeblickt und nur zwei Männer gesehen, die zufällig im selben Boot saßen. Aber vielleicht gab es ja auch Atome, die in anderen Atomen, die zusammen ein Stück Eisen bildeten, auch nur zwei Atome sahen, die sich zufällig nebeneinander befanden. Vielleicht mußte man ganz weit entfernt sein, so wie Gott, oder jedenfalls um einiges größer, um zu erkennen, was zwei Atome gemeinsam bildeten, wenn sie auf bestimmte Weise zueinander paßten. Doch nur weil ein anderes Atom keinen Zusammenhang erkannte, mußte das nicht bedeuten, daß es einen solchen Zusammenhang nicht gab, oder daß das Eisen nicht so fest war, wie Eisen sein konnte.
    Und wenn ich diese Atome lehren kann, wie sie aus dem Nichts eine Kette bilden, oder wenn ich vielleicht aus Eisen Gold machen kann, oder sogar – so soll es ja sein! –Arthurs geheime, unsichtbare Signatur in seinem ganzen Körper so verändere, daß die Sucher ihn nie wiedererkennen – warum sollte dann ein Macher mit Menschen nicht auch das gleiche tun wie mit Atomen und sie eine neue Ordnung lehren, um, wenn er erst einmal genügend Menschen gefunden