Der magische Zirkel - Der Verrat
Niemand würde von außen diese Grenzen durchbrechen können– und Cassie war sich sicher, dass auch niemand von innen unbeschadet nach draußen gelangen konnte.
Zitternd setzte Diana sich auf ihren Platz zwischen Nick und Faye. »G ut«, flüsterte sie und war mit ihren Kräften am Ende. »J etzt müssen wir uns auf das Feuer konzentrieren. Schaut hinein und lasst die Nacht das W erk vollbringen. Dann wollen wir abwarten, ob jemand kommt, um mit uns zu reden.«
»J emand von hier.« Melanies Blick schweifte über das Fundament des ausgebrannten Hauses.
»O h.«
Cassie starrte in die Flammen, versuchte, ihren Geist frei zu machen und offen zu sein für das, was auch immer versuchen würde, den Schleier zwischen der unsichtbaren W elt und dieser zu durchbrechen. Heute war die Nacht der Nächte. Jetzt war die Zeit.
Das Feuer begann zu qualmen.
Zunächst nur ein bisschen, als ob das Holz feucht wäre. Doch langsam wurde der Rauch dunkler– immer noch durchsichtig, aber schwärzer. Er stieg nach oben und hing in einer stickigen W olke über dem brennenden Holzstoß.
Dann begann er, sich zu verändern.
Er drehte sich, schwoll an wie tausend dräuende Gewitterwolken auf einmal. W ährend Cassie wie gebannt zusah und den A tem anhielt, begann der Rauch, sich zu formen.
Er wurde zur Gestalt eines Mannes.
Der Umriss wurde von oben nach unten immer deutlicher. Die Geistergestalt trug Kleidung aus einem anderen Jahrhundert, wie man sie auf Bildern in Geschichtsbüchern sehen konnte: einen hohen Hut mit einer steifen Krempe, einen Umhang oder Mantel, der von den kräftigen Schultern herunterhing und einen breiten, strengen Leinenkragen hatte. Dazu Kniebundhosen und Cassie glaubte, an den Füßen Lederschuhe mit einer glänzenden Schnalle zu erkennen, aber manchmal verschmolzen auch die Unterschenkel mit dem Rauch der Flammen. Etwas fiel ihr jedoch auf– der Schattenmann löste sich nie ganz vom Feuer, er blieb durch einen dünnen Faden mit ihm verbunden.
Die Gestalt war völlig reglos bis auf kleine W irbel in ihr selbst.
Dann drehte sie sich mit einer leicht fließenden Bewegung in Cassies Richtung.
Das geisterhafte W esen wandte ihr jetzt das Gesicht zu. Plötzlich fiel ihr etwas ein. A ls A dam am Strand den Kristallschädel aus seinem Rucksack geholt hatte, schien der Schädel sie direkt angesehen zu haben. Und erneut bei der Schädelzeremonie. Diana hatte das Tuch vom Schädel weggezogen und seine leeren A ugenhöhlen hatten Cassie angestarrt.
Die Schattengestalt starrte sie jetzt auf die gleiche W eise an.
»W ir sollten ihm eine Frage stellen.« Melanies sonst so ruhige Stimme klang unsicher. Etwas Bedrohliches, Böses ging von diesem W esen aus. W ie von der schwarzen Energie im Inneren des Schädels, nur stärker. Unmittelbarer.
Wer bist du? , dachte Cassie, aber ihre Zunge war wie gelähmt, und eigentlich war diese Frage auch unnötig. Es gab überhaupt keinen Zweifel, wer die Erscheinung vor ihr war.
Black John.
Dann ertönte Dianas Stimme klar und ruhig. »W ir haben dich eingeladen, weil wir etwas gefunden haben, was dir gehört hat«, sagte sie. »W ir müssen wissen, wie wir es kontrollieren können. W illst du mit uns reden?«
Keine A ntwort. Cassie hatte das Gefühl, als ob sich das W esen ihr nähern würde, aber das war sicher nur Einbildung.
»S chreckliche Dinge gehen vor sich«, sagte A dam. »S ie müssen aufgehalten werden.«
Keine Einbildung, es näherte sich.
»K ontrollierst du die schwarze Energie?«, fragte Melanie abrupt, und Laurels Stimme verflocht sich mit ihrer. »D u bist tot! Du hast kein Recht, dich in die Dinge der Lebenden einzumischen.«
»W ieso machst du das? W as ist dein Problem?«, wollte Deborah wissen.
Zu schnell, dachte Cassie. Zu viele Leute, die Fragen stellen. Die Gestalt kam stetig immer näher. Cassie war wie gelähmt, sie schien von einer Gefahr bedroht zu werden, die sonst niemand sah.
»W er hat Kori ermordet?«, schrie Doug Henderson heiser.
»W arum hat uns die schwarze Energie auf den Friedhof geführt?«, übertönte Deborah ihn.
»U nd was ist mit Jeffrey passiert?«, fügte Suzan hinzu.
Der Rauchfaden, der den Geist mit dem Feuer verband, war jetzt ganz dünn und zum Zerreißen gespannt, und die Gestalt schwebte direkt vor Cassie. Sie fürchtete sich davor, in das vom Rauch verschleierte, undeutliche Gesicht zu blicken, doch etwas zwang sie dazu. In seinen Zügen glaubte sie, das Gesicht zu erkennen, das sie kurz im Inneren des
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