Der Mahlstrom: Roman (German Edition)
stören. Es sind keine Klienten drin.«
Der Mann verabschiedete sich mit einem erneuten Nicken, während das Mädchen über den Korridor wackelte und an eine Tür klopfte. Eine halbe Minute später reichte eine Frau in Rinos Alter ihm eine magere Hand zum Gruß.
»Lisbeth Tollefsen. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Haben Sie ein Büro, in dem wir ungestört reden können?«
»Natürlich.«
Er bemerkte, dass Teamleiterin an der Tür stand, eine Bezeichnung, die sicher symbolisieren sollte, dass hier alle am gleichen Strang zogen und dass die Frau, die jetzt geschmeidig hinter ihren Schreibtisch glitt, die Aufgabe hatte, den Kurs zu korrigieren, wenn ein bisschen zu planlos gezogen wurde.
»Worum geht es?« Die Frau faltete die Hände auf dem Tisch, sah ihm in die Augen und setzte eine bekümmerte Miene auf, als würde schon eine Polizeiuniform an sich schlimme Neuigkeiten bedeuten.
»Haben Sie vielleicht von dem Vorfall auf Landegode gelesen?«
»Von dem Mann, dem einer die Hände unter Wasser festgekettet hat?«
»Genau. Er ist Sozialhilfeempfänger und heißt Kim Olaussen.«
Ihr Gesichtsausdruck wurde noch verbissener.
»Wir hatten vor zwei, drei Jahren schon einmal einen ähnlichen Vorfall. Und heute früh noch einen. Die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang, was bedeutet, dass wir erst mal nach einer Verbindung zwischen diesen Fällen suchen. Und eine haben wir gefunden.«
Ihrem Blick war zu entnehmen, dass sie wusste, was jetzt kommen würde.
»Sie waren alle Sozialhilfeempfänger.«
Sie streckte den Rücken durch. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Um ehrlich zu sein, das weiß ich selbst nicht so genau. Es könnte natürlich ein Zufall sein, aber darauf wollen wir nicht wetten. Deswegen bin ich jetzt bei Ihnen.«
»Hören Sie … ich glaube, ich habe Ihren Namen nicht mitbekommen …«
»Carlsen. Rino Carlsen.«
»Herr Carlsen, wir unterliegen …«
»… der Schweigepflicht. Ich weiß. Ich habe auch gar nicht vor, Sie um persönliche Auskünfte zu bitten. Was diese drei an Leistungen bezogen haben, ist wahrscheinlich ganz irrelevant.« Er veränderte seine Sitzposition. »Sie haben sicher Ordner für jeden Klienten, oder?«
»Wir bewahren Kopien von allen Beschlüssen und Anlagen auf.«
»Genau. Was ich suche, beziehungsweise was ich zu suchen glaube, ist ein roter Faden welcher Art auch immer zwischen diesen Ordnern, irgendein Anhaltspunkt, der mir etwas über die Gründe verrät, warum diese Männer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind.«
»Ich befürchte, Sie machen sich falsche Vorstellungen von unseren Akten. Wir geben finanzielle Beihilfen im Notfall, und wir helfen unseren Klienten, vernünftige Absprachen mit ihren Gläubigern zu treffen. Die Gründe für den Bedarf analysieren wir nicht, wir versuchen nur herauszufinden, ob Spielsucht oder Alkoholprobleme eine problematische Rolle gespielt haben.«
Er hob die Arme, um zu signalisieren, dass er genau so etwas im Sinn gehabt hatte.
»Aber nichts davon wird schriftlich festgehalten. Wenn ich Ihnen die Ordner auf den Tisch legen würde und Sie ungestört darin blättern ließe – was ich nicht beabsichtige –, würden Sie nichts anderes finden als Aufstellungen von Forderungen, Beschlüsse und ähnliche Schriftstücke, mit anderen Worten: die nackten Fakten.«
»Angenommen, es hätten sich alle drei über irgendeine Form von Schikane beklagt oder sie hätten von Erpressungsversuchen berichtet – wäre das schriftlich festgehalten worden?«
»Eventuelle Erpressungsversuche wären bei Ihnen angezeigt worden. Andere … nennen wir es mal Unannehmlichkeiten sind Teil des Dialogs zwischen Klient und Sachbearbeiter und unterliegen der Schweigepflicht.«
»Ich verstehe. Sie sagen also, dass Ihre Akten keine Antwort darauf haben würden, ob es irgendeinen gemeinsamen Nenner gibt.«
»Genau das sage ich.«
»Trotzdem, lassen Sie uns mal mit Kim Olaussen anfangen. Sowohl der Vorfall als auch sein Name sind aus den Zeitungen bekannt. Könnten Sie nicht mit Ihren Mitarbeitern sprechen und nachfragen, ob sich einer von ihnen an die Gespräche mit Olaussen erinnert? Dann könnten Sie selbst einschätzen, inwieweit Sie diese Informationen an mich weitergeben können.«
Die Körpersprache der Teamleiterin verriet ihm ganz deutlich, dass sie nicht gewillt war, ihm die Sache einfach zu machen.
»Wir reden hier von einem Mordversuch, der sich eventuell wiederholen könnte.«
»Ich werde mit seinem Sachbearbeiter sprechen. Aber
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