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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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Art Geheimschrift, Exzellenz. Falls einmal etwas in falsche Hände gerät.« Das hatte er sich als probate Notlüge ausgedacht, denn im Grunde schrieb es sich für ihn so am bequemsten. »Mit Hilfe eines Spiegels wird sie lesbarer.«
    »Hm…« Borgia warf die Papiere auf den Tisch, als interessiere ihn deren Inhalt nicht weiter. »Sie haben in der Vergangenheit unter anderem für Ludovico Sforza äußerst raffiniertes Kriegsgerät, Waffen, Befestigungen und dergleichen entworfen, von dem aber, soweit ich weiß, nie etwas verwendet wurde.« Er sah Leonardo fragend an.
    »Der erlauchte Ludovico Sforza hatte größeres Interesse an meinen künstlerischen Gaben.«
    »Wie unklug, die Fähigkeiten eines Menschen nur zu einem Teil auszuschöpfen!« Borgia zog eine Schublade seines Schreibtischs auf und nahm einige zerknitterte Seiten heraus, die er mit gefurchten Brauen studierte.
    Wie Leonardo erstaunt bemerkte, handelte es sich um seine eigenen Skizzen. Entwürfe, die er vor vielen Jahren gemacht hatte, um sich damit bei Il Moro zu bewerben.
    Borgia schaute auf. »Ein gepanzerter Streitwagen?«
    »Mit ihm können Fußsoldaten ohne Gefährdung des eigenen Lebens durch die feindlichen Linien brechen.«
    »Und Sie wollen jede Befestigungsanlage zerstören können?«
    Leonardo nickte nur.
    »Bombarden und Schleudern gänzlich neuer Machart?«
    »Bombarden, aus denen man Steinchen schleudern kann wie in einem Hagelsturm, und das mit einer gewaltigen Rauchentwicklung, welche beim Feind für Angst und Verwirrung sorgt. Ferner vermag ich, wie es dort steht, leichte und dennoch stabile Brücken zu bauen, die gut transportierbar und im Handumdrehen aufzustellen wären, ich verstehe mich auf die Trockenlegung von Wassergräben…«
    Borgia gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. »Träumereien eines Phantasten, der zu tief ins Weinglas geschaut hat, scheint es, aber ich weiß sehr wohl, dass Sie schon allerlei ausgeklügelte Werkzeuge und Maschinen hergestellt haben.« Sein Raubtierblick richtete sich wieder auf Leonardo. »Wenn sie auch nicht immer zum Erfolg führten.«
    »Nicht alle Erfindungen können von Anfang an perfekt funktionieren, Exzellenz. Zumal die meisten Auftraggeber zu ungeduldig sind, um unsereinem die Möglichkeit und die Zeit zu gewähren, seine Konstruktionen zu perfektionieren.«
    Borgia legte die Papiere wieder zurück und schob die Lade mit einem Knall zu. »Mir ist auch etwas über einen sogenannten Ornithopter zu Ohren gekommen, den Sie gebaut haben sollen. Eine Flugmaschine? Oder was muss ich mir darunter vorstellen?«
    Leonardo war nicht danach, über dieses für ihn sensible Thema zu sprechen, wenn sein Gegenüber nicht verstand oder verstehen wollte, was Fliegen für ihn bedeutete. »Ach, wenn man eine gewisse Bekanntheit genießt, werden oft die merkwürdigsten Geschichten über einen verbreitet, Exzellenz«, sagte er daher nur.
    »Schade.«
    »Exzellenz?«
    »Eine derartige Maschine könnte militärisch von unschätzbarem Wert sein. Man stelle sich vor, man könnte die feindlichen Linien aus der Luft ausspähen…« Borgia schien sich in Träume zu verlieren.
    »Dass der Mensch je fliegen könnte, wird im Allgemeinen für vollkommen abwegig gehalten.«
    Der Blick Borgias wurde durchdringender. »Aber Sie haben sich damit befasst, nicht wahr, zumindest gedanklich?«
    »Ich interessiere mich generell sehr für Tiere, und für Vögel insbesondere. Das mag manchen dazu verleiten, falsche Schlüsse zu ziehen.«
    »Schade«, sagte Borgia noch einmal. Er setzte sich auf, als betrachte er das Gespräch als beendet. »Ich hätte Sie gerne noch durch die Kunstsammlung hier im Palast geführt, doch leider fehlt mir die Zeit dafür. Ich reise heute noch nach Mailand ab. Einer meiner Offiziere wird Ihnen weitere Instruktionen übergeben und das Erforderliche erläutern. Sie können so lange wie nötig hier im Palast bleiben.«
    Solange Borgia keinen Gebrauch von Leonardos Erfindungsgeist auf dem Gebiet von militärischem Gerät machte, schickte er ihn weiter auf die Reise durch sein Herrschaftsgebiet. Und Leonardo widmete sich etwas, worin er besonders versiert war: Er zeichnete detaillierte Karten und Pläne.
    Unterdessen setzte Cesare Borgia mit seinen gut ausgebildeten Truppen seine Kriegszüge fort. Es war eine unruhige Zeit, und Leonardo gelang es nicht immer, sich von den gewaltsamen Auseinandersetzungen fernzuhalten. So musste er in Senigallia an der Adriaküste miterleben, wie der Herzog mit Aufständischen

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