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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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umsprang. Borgia traf sich dort unter dem Vorwand der Aussöhnung mit den Anführern einer Rebellion zu einem Gespräch, ließ sie dann aber festnehmen und ihre Anhänger entwaffnen. Die Anführer, unter ihnen jener Vitellozzo Vitelli, der Leonardo einst für Borgia angeworben hatte, ließ er erdrosseln.
    Nachdem Leonardo in Senigallia Zeuge geworden war, zu welchen Auswüchsen der besessene Machtwille von Herrschern wie Cesare Borgia führen konnte, zerbrach etwas in ihm, was ohnehin nicht sehr stark gewesen war. Niemand durfte Menschen abschlachten wie Vieh, nur weil sie versucht hatten, ihre Rechte zu verteidigen. Er beschloss, seinen Dienst für Borgia zu quittieren.
    Kaum ein Jahr später sollte Papst Alexander VI. , der Vater Cesare Borgias, unter dessen Schutz dieser groß werden konnte, sterben. Der neue Papst, Julius II. , würde seinen Herzogtitel nicht anerkennen und die Rückgabe der eroberten Gebiete fordern. Und wenige Jahre danach würde Borgia so gut wie vergessen als Söldner in Spanien fallen.
    In Florenz sprach sich schnell herum, dass Leonardo da Vinci wieder in der Stadt sei. Das kam dem Seidenhändler Francesco del Giocondo sehr gelegen, denn er träumte seit langem davon, den großen Meister mit einem Porträt seiner Frau zu beauftragen.
    Ihr Name war Lisa.

27

    »Gedenkst du eigentlich wieder eine eigene bottega aufzumachen?«
    »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht…«
    Leonardo saß mit einem Humpen Bier in der Hand auf einem Hocker im Büro von Lorenzo di Credi. Er starrte abwesend durch das staubige Fenster in die Werkstatt, wo Gesellen und Lehrlinge ihren üblichen Tätigkeiten nachgingen.
    »Du weißt, dass du jederzeit hier bei uns arbeiten kannst. Wir finden schon ein Fleckchen für dich.«
    »Vielen Dank.«
    Di Credi forschte in Leonardos Gesicht. »Malst du überhaupt noch?«
    Leonardo blieb ihm zunächst eine Antwort schuldig. Seine Gedanken taten einen kleinen Sprung zu Salaì, der wieder nach Mailand, in das Haus mit dem Weinberg, gezogen war. Er hatte ihn dort auch schon besucht, doch Salaì hatte sich sehr verändert. Das Einzige, worüber sie noch hatten reden können, war Mathurina gewesen. Seine alte Haushälterin hatte noch rund ein Jahr für Salaì gearbeitet, nachdem er sie wiedergefunden hatte, und war dann ganz plötzlich an etwas gestorben, was nach einer normalen Erkältung ausgesehen hatte.
    Als ihm bewusst wurde, dass di Credi noch auf eine Antwort wartete, sagte er: »Einen Auftrag habe ich jedenfalls. Von einem gewissen Francesco di Bartolomeo del Giocondo. Er möchte ein Porträt seiner Frau.«
    »Interessant. Giocondo ist kein schlechter Auftraggeber.«
    »Ein Kaufmann«, erwiderte Leonardo gleichgültig. »Seide und Tuch, wenn ich mich nicht irre. Wie so viele.«
    »Und recht vermögend. Er hat auch mehrfach wichtige Ämter in der Signoria bekleidet. Hast du den Auftrag schon angenommen?«
    Leonardo schüttelte den Kopf. »Ich habe diese Frau noch gar nicht gesehen.«
    »Was tut denn das zur Sache?«
    »Ich möchte die Zeit, die mir noch bleibt, nicht damit vergeuden, dass ich jemanden male, der mich unberührt lässt.«
    »Die Zeit, die dir noch bleibt?«, fragte di Credi beunruhigt.
    »Mein linker Arm macht mir Beschwerden, ich weiß nicht, was damit ist.« Leonardo verzog das Gesicht. »Vielleicht sollte ich ihn einmal aufmachen, um zu sehen, ob etwas entzwei ist.«
    »Ich bitte dich!«, rief di Credi entsetzt.
    Leonardo starrte erneut durch das Fenster in die Werkstatt. Vielleicht kann ich bald nicht mehr malen, dachte er schwermütig.
    »Es könnte ja auch sein, dass deinem Arm die Arbeit mit dem Pinsel fehlt!«
    »Ach, mir fehlt so manches, aber das Malen gehört, glaube ich, nicht dazu.«
    »Was fehlt dir denn?«
    »Meine Jugend«, antwortete Leonardo nach kurzem Überlegen abwesend.
    Eine Woche darauf kam Giocondo in die Werkstatt, um seine Frau vorzustellen. Leonardo war in der Zwischenzeit wie üblich in der Stadt umhergestreift oder hatte Ausflüge in die unmittelbare Umgebung gemacht, manchmal zu Fuß, manchmal zu Pferd. Als suche er nach etwas, ohne zu wissen, wonach.
    »Ich verstehe das alles nicht«, beklagte sich Giocondo leicht ungehalten bei di Credi. »Ich bitte um ein Porträt meiner Frau, mehr nicht, und Meister da Vinci stellt die seltsamsten Bedingungen. Ich hätte mir ja einen anderen Maler gesucht, wenn nicht…« Er verstummte, als Leonardo in die Werkstatt trat.
    »Wenn nicht Meister da Vinci die Kunst des Porträtierens

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