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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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Gartenanlagen. Die Privaträume des Regenten lagen dahinter, an einem der von Soldaten schwer bewachten Innenhöfe.
    Doch so weit kam Leonardo nicht. Ein Soldat nahm sich seines Gespanns an, und er selbst wurde, nachdem er sein Beglaubigungsschreiben übergeben hatte, in einen schmucklosen Raum mit einem kleinen Tisch und einer Holzbank geführt, der viel Ähnlichkeit mit einer Zelle hatte. Man forderte ihn auf, hier zu warten.
    Sforza war natürlich über sein Kommen informiert, doch man ließ Leonardo so lange warten, dass er zu glauben begann, man habe ihn einfach vergessen. Als er freilich hinausgehen wollte, um nachzusehen, stand ein Wachtposten vor der Tür, der ihm nicht eben freundlich bedeutete, dass er wieder hineingehen solle. Leonardo war froh, dass er zuvor etwas gegessen hatte.
    Es wurde bereits dunkel, und Leonardo war, ohne es zu wollen, auf der Bank eingenickt, als man ihn endlich holte. Von zwei Wächtern eskortiert, wurde er in einen Salon gebracht, dessen Wände fast vollständig mit Gemälden bedeckt waren.
    Leonardo erkannte sogleich Verrocchios Tobias und der Engel sowie einige kleinere Arbeiten von Sandro Botticelli. Auch Werke von ausländischen Meistern waren darunter, von denen er aber nur einen charakteristischen Kupferstich von Martin Schongauer zuordnen konnte.
    Die beiden Wächter, die an der geöffneten Flügeltür stehen geblieben waren, nahmen flugs Haltung an, als ein stämmiger Mann in Leonardos Alter mit betonter Eile hereingerauscht kam.
    Leonardo sah den ganz in grüne Seide gekleideten Regenten verwundert an, ohne sich bewusst zu sein, dass sein Starren als Unverfrorenheit empfunden werden könnte.
    »Probleme mit meiner Hautfarbe, Meister da Vinci?«
    Leonardo erschrak über den wenig zuvorkommenden Ton. »Oh, ich bitte um Verzeihung, Durchlaucht… äh…« In seiner Verwirrung wusste er nicht mehr, wie er Ludovico Sforza anzusprechen hatte, zumal dieser noch keinen offiziellen Titel trug. »Mir war gerade, als sei ich Euch schon einmal begegnet. Was eigenartig ist, denn ich war noch nie in Mailand.«
    Sforza nickte. »Vor zehn Jahren in Florenz. Unsere Blicke trafen sich, als ich in Begleitung meines Bruders in den Palazzo Medici ritt. Du fielst mir auf, weil sich dein Äußeres von dem der anderen Zuschauer abhob.« Als er Leonardos Gesichtsausdruck sah, glättete sich seine unfreundliche Miene. »Nicht nur Maler und Bildhauer haben ein gutes Gedächtnis für Formen und Farben, Meister da Vinci.«
    »Ich bin in höchstem Maße beeindruckt«, sagte Leonardo wahrheitsgetreu. Obgleich er sich jetzt auch vage an jenen zehn Jahre zurückliegenden Moment erinnerte, weil Ludovico Sforza ihn damals von seinem Pferd aus so überraschend eindringlich angeschaut hatte. Il Moro , ja, jetzt entsann er sich. Verrocchio hatte gesagt, dass sie ihn den Mauren nannten, weil er so dunkel war.
    »Du preist dich als Erfinder revolutionären Kriegswerkzeugs an. Was veranlasst dich zu der Annahme, ich hätte Bedarf an so etwas?«
    Leonardo fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut, weil Sforza stehen blieb, als wolle er keine unnötige Zeit an seinen Besucher verschwenden. »Ich dachte mir, dass jeder Machthaber Bedarf daran hat, Exzellenz. Wir leben schließlich in einer Welt voller Missgunst und Feindschaft.«
    »Ich habe ein größeres Interesse an der Kunst und der Wissenschaft als an sinnlosen und kostspieligen Kriegen. Kunst und Wissen bauen die Welt auf, der Krieg zerstört sie.«
    Schöne Worte, dachte Leonardo. Als kenne Sforza seine eigene Reputation als grausamer Tyrann nicht. Aber Grausamkeit und Tyrannei waren natürlich nicht dasselbe wie Kriegslüsternheit. Und ein Krieg brachte Unannehmlichkeiten mit sich, die einem Liebhaber von Luxus und Pracht, wie es Ludovico Sforza den Erzählungen nach sein sollte, gewiss nicht behagten.
    Unsicher sagte Leonardo: »In aller Bescheidenheit gesagt, verfüge ich auch noch über andere Befähigungen, Exzellenz. Ich kann Maschinen für friedliche Zwecke entwerfen, Konstruktionen, die dem Komfort des Menschen dienen. Ich kann prachtvolle Gebäude entwerfen. Ich weiß, wie sich allzu windungsreiche Flüsse begradigen ließen. Darf ich so frei sein, Euch daran zu erinnern, dass ich bei der Anbringung der Kupferkugel auf dem Dom…«
    Sforza winkte ungeduldig ab. »Ich habe dein Bild von Ginevra de’ Benci gesehen. Darin liegt, wie mich dünkt, dein wahres Talent – und das einzige, das mich wirklich interessiert.«
    »Ich kann auch

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