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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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Musikinstrumente bauen und darauf spielen.«
    »Warum willst du mich mit aller Macht von deiner Malkunst ablenken?«
    Leonardo musste sich eingestehen, dass Sforza recht hatte, und er blieb zunächst eine Antwort schuldig. Weil er keine hatte. Es gab einfach so viele Dinge, die er tun wollte. Malen war nur eine von vielen Möglichkeiten, ja, das war der Grund.
    »Ich versuche Euch nur davon zu überzeugen, dass meine Fertigkeiten nicht so begrenzt sind, wie mancher vielleicht glauben mag, Exzellenz. Ich habe zum Beispiel gehört, dass Ihr Euch mit dem Plan tragt, eine gut vierzehn braccia hohe Bronzestatue Eures Vaters zu Pferd anfertigen zu lassen.«
    »Hm…«, Sforza starrte Leonardo mit abwesendem Blick an, als überlegte er, was er mit ihm anfangen sollte. Er schien den letzten Satz gar nicht gehört zu haben. »Wenn du so ein guter Musiker bist, wie du selbst zu glauben scheinst, könntest du vielleicht am concorso teilnehmen, den wir hier demnächst veranstalten.«
    »Ein concorso , Exzellenz?«
    »Ein Wettstreit unter Liraspielern, die allesamt glauben, die besten der Stadt zu sein. Er findet im Rahmen unseres Karnevals zum Festtag unseres Schutzpatrons, des heiligen Ambrosius, statt.« Sforza schien sich jetzt einig zu sein: »Ich werde dir Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, wo du arbeiten kannst.« Dass Leonardo womöglich schon ein Unterkommen haben könnte, schien er gar nicht in Betracht zu ziehen. »Du brauchst zuallererst einmal andere Kleidung«, befand er, während er den Blick mit leichtem Missfallen an Leonardo hinunterwandern ließ. »Was du da trägst, ist eines Künstlers nicht würdig. Du musst auffallen, wenn du rasch Karriere machen möchtest. Ganz Mailand muss dich auf den ersten Blick erkennen.«
    »Ich ziehe nicht gern die Aufmerksamkeit auf mich, Exzellenz. Sonst würde ich mir schon andere Kleider machen lassen. Auch die weiß ich zu entwerfen, wenn ich das in aller Bescheidenheit erwähnen darf.«
    »Du ziehst nicht gern die Aufmerksamkeit auf dich? Das wird dann wohl einer der Gründe dafür sein, dass du trotz deines Talents auf der Stelle trittst wie ein Pferd, das ein Schwein wittert. Ich schicke dir einen Schneider, der das Nötige tun wird.«
    »Wie Ihr wünscht, Exzellenz«, sagte Leonardo, der begriff, dass keine Widerrede geduldet wurde.
    »Wir reden weiter, sobald ich mehr Zeit habe.«
    Und damit rauschte Il Moro davon, wie er gekommen war.
    Es gab etliche Künstler und Gelehrte, die sich der Gunst Ludovico Sforzas erfreuten und sich dauernd oder von Zeit zu Zeit an seinem Hof aufhielten. Einige von ihnen kamen wie Leonardo aus Florenz, und er war dem einen und anderen dort auch schon begegnet. Zu ihnen gehörte zum Beispiel der schon ältere Schriftsteller und Diplomat Benedetto Dei, ein guter Freund von Paolo dal Pozzo Toscanelli. Er war ein weitgereister Mann, und seine Geschichten über die Türkei, Frankreich, die Niederlande faszinierten Leonardo ungemein. Da Dei an diversen Fürstenhäusern verkehrte, hatte Sforza ihn als politischen Berater in seine Dienste aufgenommen.
    Ein weiterer alter Bekannter aus Florenz war der Dichter Bernardo Bellincioni, oft wenig ehrerbietig »Reimeschmied« genannt, weil seine Werke nicht immer als hohe Poesie galten.
    Darüber hinaus hielten sich auch einige von den zahlreichen bekannten Steinmetzen und Bildhauern, die am Dom arbeiteten, am Hof auf. Unter ihnen war Donato Bramante, Bildhauer und Baumeister aus der Nähe von Urbino und ein paar Jahre älter als Leonardo. Sie freundeten sich rasch an, was nicht zuletzt mit den wunderbaren Spottgedichten zu tun hatte, die Bramante nebenbei schrieb und die Leonardo sehr schätzte. Vor allem, wenn Bramante sich darin über die Scheinheiligkeit und Heuchelei der Menschen mokierte, die auch Leonardo ein Dorn im Auge waren.
    In der ersten Zeit strich Leonardo ein wenig ziellos im und um das Castello Sforzesco herum. Langweilig wurde es ihm dabei freilich nicht, denn die Schlossgärten mit ihren vielen Teichen und Springbrunnen waren wunderbar angelegt und gepflegt, und man konnte dort herrlich zur Ruhe kommen.
    Leonardo trug nach wie vor stets ein Notizbuch bei sich, und hin und wieder ließ er sich in der Vorfrühlingssonne auf einer Bank im Garten nieder, um zu zeichnen. Am liebsten tat er das an einem Teich, in dem ein kleiner künstlicher Wasserfall angelegt war. Die scheinbar unberechenbaren, quirligen Bewegungen des Wassers faszinierten und inspirierten ihn, auch ohne dass sie direkt

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