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Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci

Titel: Der Maler des Verborgenen: Roman über Leonardo da Vinci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Vermeulen
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kommen würdest.«
    »Ach? Und von wem wusstest du das?«
    Paolo schien kurz zu zögern. »Von Zoroastro.«
    Leonardo zog die Stirn kraus. »Oh, ist der auch hier in der Stadt?«
    Paolo nickte und schnürte mit einem Frösteln sein Wams am Hals zu.
    »Also deshalb ist er ohne weitere Erklärung verschwunden, sowie ich angekündigt hatte, dass ich meine Werkstatt schließen würde.«
    »Wenn das kein Grund ist!«, erwiderte Paolo ein wenig gereizt.
    »Man kann den Lauf der Dinge nicht immer selbst lenken.« Leonardo sah Paolo forschend an. »Ihr habt euch ja immer gut verstanden.« Er versuchte noch einmal, durch das Fenster hineinzuschauen, aber es war hier draußen zu hell und dort drinnen zu dunkel. »Arbeitet er auch hier?«
    »Manchmal. Er führt Aufträge für mehrere botteghe aus.«
    »Ich hätte es mir denken können…«
    »Was meinst du?«
    Leonardo schloss kurz die Augen. »Ach nichts. Ich muss zurück an die Arbeit«, sagte er dann und wandte sich abrupt ab.
    Paolo schaute ihm nach, bis er um die nächste Ecke verschwunden war. Dann erst ging er mit hängenden Schultern wieder hinein.

14

    Für Künstler bot das Castello Sforzesco beste Voraussetzungen. Es gab eine Schreinerei, wo alles vorhanden war, was man für Holzarbeiten benötigte, und es gab eine Schmiede, in der Bronze geschmolzen und gegossen werden konnte. Ferner waren jederzeit Boten verfügbar, die alles, was im Schloss nicht zu haben war, anderswo auftreiben konnten. Leonardo aber ließ seine neue Tafel in der Werkstatt der Brüder de Predis anfertigen und vorbereiten. Damit sparte er schon viel Zeit.
    Als die Tafel nach einigen Wochen geliefert wurde, war sie nur etwas weniger hoch und fast genauso breit wie sein Gemälde von Magdalena und ihren Kindern. Als hätte die Vorsehung Leonardo einen Dienst erweisen wollen, ließ sich das eine und andere problemlos anpassen.
    So konnte er in aller Ruhe an seinem neuen Bild arbeiten und nach Lust und Laune an den Musik- und Gesprächsabenden teilnehmen, zu denen Ludovico Sforza des Öfteren in einen seiner Salons lud. Dort traf er stets auf einen bestimmten Kreis von Malern und Bildhauern, Schriftstellern, Diplomaten und Wissenschaftlern. Frauen waren nie anwesend.
    Leonardo wurde meist dazugebeten, um allein oder zusammen mit anderen auf seiner lira da braccio zu spielen oder auch mit seinen beileibe nicht immer subtilen Wortspielen zur Unterhaltung beizutragen. Sogar Il Moro musste manchmal darüber lachen, obwohl er eine ausgesprochene Abneigung gegen eine »unpflegliche Ausdrucksweise« hatte, wie er es nannte.
    »Wenn dich Il Moro so fürstlich für deine Musik belohnt wie mich für meine diplomatischen Dienste, solltest du lieber schnellstmöglich einen Gemüsegarten anlegen und dir ein paar Schweine und Hühner halten«, hatte ihm Benedetto Dei an einem dieser Abende ganz im Vertrauen geraten.
    Leonardo hatte dagegengehalten: »Aber er gewährt mir Unterkunft und verschafft mir Aufträge.« Er hatte gelernt, sich in Acht zu nehmen mit kritischen Äußerungen, die Sforza zu Ohren kommen konnten. »Ich kann dem Herrn Sforza nur dankbar sein.«
    »Du bist ein Opportunist«, hatte Dei ihm darauf vorgeworfen, freilich in gutmütigem Ton.
    Es sah wirklich ganz danach aus, dass Leonardos Leben allmählich in ein ruhigeres und berechenbareres Fahrwasser kam, obwohl er sich nach wie vor schwer damit tat, einfach mit dem Strom zu schwimmen. Das Gefühl, dass irgendein Unheil über ihm schwebte wie ein Damoklesschwert, war zu seinem ständigen Begleiter geworden. Woher es rührte, wusste er nicht. In Mailand war er nur wenigen Menschen bekannt, und seines Wissens hatte er sich hier bisher auch noch keinen Feind gemacht.
    An einem der Gesprächsabende im Schloss hörte Leonardo zum ersten Mal von einer bevorstehenden Sonnenfinsternis. Er hatte gerade eine seiner selbstkomponierten Suiten gespielt, und der wohlwollende Applaus war verklungen, als Giovanni Braganti, ein Astronom, aus heiterem Himmel sagte: »Meinen Berechnungen zufolge werden wir es in genau zwölf Tagen am frühen Nachmittag mit einer totalen Sonnenfinsternis zu tun haben.«
    Leonardo war für einen Moment, als streiche ihm eiskalte Zugluft über Rücken und Nacken. So rational er auch im Allgemeinen dachte, die Vorstellung, dass die Sonne am helllichten Tag schwarz werden würde, beunruhigte ihn zutiefst. Eine Sonnenfinsternis wurde in weiten Kreisen als Zeichen nahenden Unheils aufgefasst, und sogar die Tiere schienen das so zu

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