Der Maler und die Lady (German Edition)
hatte Melanie eine weiche, verwöhnt gepflegte Hand ohne einen Hauch von Hornhaut, wie sie sich bei Lara an den Fingern gebildet hatte. Anatole fragte sich, was in den letzten vierundzwanzig Stunden in ihm vorgegangen war, dass er die chaotische Künstlerin der perfekt zurechtgemachten, ihn anlächelnden Frau vorzog. Er musste krank sein.
„Sind Sie der berühmte Anatole Haines?“ Melanies Lächeln vertiefte sich. Sie kannte ihn, seine untadelige Herkunft und Erziehung.
„Natürlich sind Sie es“, fuhr sie fort, ohne seine Antwort abzuwarten. „Dieses Haus zieht Künstler an wie ein Magnet. Ich besitze eines Ihrer Bilder.“
„Tatsächlich?“ Anatole gab ihr Feuer und zündete sich dann selbst eine Zigarette an. „Welches?“
„Studie in Blau.“ Melanie legte den Kopf ein wenig zur Seite und lächelte ihm in die Augen. Diesen weiblichen Trick musste sie sich schon als ganz kleines Mädchen angeeignet haben.
Lara saß hinter dem Arbeitstisch und beobachtete die beiden. Welch außergewöhnliche Gesichter, ging es ihr durch den Kopf. Es kribbelte ihr in den Fingerspitzen, Anatoles Gesicht in Bronze zu arbeiten.Vor einem Jahr hatte sie eine Elfenbeinschnitzerei von Melanie gemacht – das Gesicht samtweich, kühl und perfekt. Bei Anatole würde sie alles daran setzen, das Unterschwellige in seinem Wesen herauszuarbeiten.
„Ich wollte das Bild unbedingt besitzen, weil es eine so starke Ausstrahlung hat“, sprach Melanie weiter. „Fast hätte ich es jemand anderem überlassen, weil es mich traurig stimmte. Erinnerst du dich, Lara? Du warst bei mir.“
„Ja, ich erinnere mich.“ Kess und amüsiert und ohne die Spur von Koketterie, die in Melanies Augenaufschlag flackerte, blickte Lara ihn an. „Ich fürchtete, sie könnte einen Nervenzusammenbruch bekommen und sich unmöglich machen. Also drohte ich ihr, ich würde es kaufen. Papa war außer sich, dass ich es nicht getan habe.“
„Onkel Philip kann ja jetzt schon praktisch den ganzen Louvre neu bestücken“, bemerkte Melanie und zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Andere Leute sammeln Briefmarken“, erwiderte Lara lächelnd. „Das Stilleben in meinem Zimmer ist eine von Melanies Arbeiten. Wir haben zusammen in Frankreich studiert.“
„Nein, fragen Sie bitte nicht“, sagte Melanie und hob abwehrend eine Hand. „Ich bin keine Künstlerin. Ich bin Modedesignerin, die nur aus Liebhaberei malt.“
„Weil du dich weigerst, dich ganz der Kunst zu widmen.“
Melanie neigte den Kopf, stimmte aber weder zu, noch widersprach sie. „Ich muss gehen. Grüß Onkel Philip von mir. Ich werde ihn nicht auch noch bei der Arbeit stören.“
„Bleib doch zum Lunch, Melly. Wir haben dich seit zwei Monaten nicht gesehen.“
„Ein andermal.“ Sie erhob sich mit einer Grazie, die in Haltung und Gebärde untrüglich die exquisite Erziehung einer höheren Tochter verriet. Anatole erhob sich ebenfalls und fing dabei einen Hauch von Chanel auf. „Ich sehe dich dann am kommenden Wochenende bei der Party.“ Lächelnd reichte sie Anatole die Hand. „Sie kommen doch auch, nicht wahr?“
„Sehr gern.“
„Wundervoll.“ Melanie öffnete ihre Handtasche und zog feine Lederhandschuhe heraus. „Vergiss nicht, Lara, neun Uhr. Oh!“ Aufdem Weg zur Tür blieb sie plötzlich stehen und drehte sich abrupt um. „Oh, Himmel, die Einladungen wurden verschickt, ehe ich … Lara, Stuart wird auch da sein.“
„Ich werde meine Pistole zu Hause lassen, Melly.“ Lara lachte, aber diesmal klang es nicht so überzeugend und unbefangen. „Du machst ein Gesicht, als hätte dir jemand Blaubeersaft über dein Modellkleid gekippt. Mach dir um mich keine Sorgen.“ Sie hielt einen Moment inne. Der eisige Ausdruck in ihren Augen dauerte nur einen Moment. „Ich verspreche es, ich nehme keine Waffe mit.“
„Wenn du meinst …“ Melanie zog die Stirn in Falten. In Gegenwart eines Gastes fand sie es jedoch unmöglich, näher auf das Thema einzugehen. „Ich möchte nicht, dass es dir unangenehm ist.“
„Ich werde gewiss nicht diejenige sein, die sich unwohl fühlt.“ Da war sie wieder, Laras sorglose Überheblichkeit.
„Dann bis Samstag.“ Melanie schenkte Anatole ein letztes Lächeln, ehe sie das Atelier verließ.
„Eine schöne Frau“, bemerkte Anatole anerkennend und kehrte an den Tisch zurück.“
„Ja, Melanie ist ungewöhnlich schön.“ In dieser schlichten Zustimmung schwang kein Unterton von Neid oder Missgunst mit.
„Wie schaffen es zwei
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