Der Maler und die Lady (German Edition)
zwischen Harriet und Papa. Keiner sollte sich benachteiligt fühlen.“
„Und was ist mit den anderen?“ Anatole setzte sich auf einen überaus eleganten Queen Anne-Stuhl. „Welche Konsequenzen zogen die denn nach sich?“
„Mit jedem Bild ist natürlich eine individuelle Geschichte verbunden.“ Lara zögerte und sah ihn aufmerksam an. „Um es kurz zu machen, Papa hat die Bilder gemalt und dann an irgendwelche Interessenten verkauft.“
„Er hat sie verkauft?“ Anatole sprang auf, weil er einfach nicht länger sitzen bleiben konnte. Nun wünschte er sich, er hätte Lara besser doch nicht gebeten, ihm alles zu sagen. Unruhig ging er vor dem Bett hin und her. „Um Himmels willen, Lara, verstehst du denn nicht, was dein Vater getan hat? Was er immer noch tut? Das ist schlicht und ergreifend Betrug!“
„So würde ich es nicht nennen“, entgegnete sie und betrachtete nachdenklich den Cognac im Glas. Sie selbst hatte sich immerhin schon seit langem mit dem Thema auseinandergesetzt.
„Wie würdest du es denn nennen?“ Am liebsten hätte er sie gepackt und wäre mit ihr auf und davon – einfach weg, irgendwohin, wo weder Gemälde von Tizian noch Rembrandt, weder ihr verrückter Vater noch dieses lächerliche Schloß, in dem sie lebten, eine Bedeutung hatten. „Immerhin hat er ja nicht schlecht daran verdient.“
„Mein Vater hat vom Verkauf dieser Bilder nie profitiert.“ Lara stellte ihr Glas ab und legte die Hände übereinander. „Jeder potenzielle Käufer wurde von Harriet eingehendst unter die Lupe genommen.“
Anatole wollte sich setzen, richtete sich aber gleich wieder auf.
Fassungslos fragte er: „Harriet Merrick ist in diese Sache verwickelt?“
„Von Anfang an“, sagte Lara leise. „Seit fünfzehn Jahren ist es ihr gemeinsames Hobby.“
„Hobby!“ Es klang, als wollte er sie nachäffen. Schwerfällig setzte er sich nun doch auf den Stuhl.
„Harriet hat sehr gute Beziehungen, weißt du. Sie vergewissert sich, dass der Käufer sehr reich ist und in einer verlassenen Gegend lebt. Vor zwei Jahren zum Beispiel verkaufte Papa einem arabischen Scheich einen phantastischen Renoir. Er gehörte zu meinen Lieblingsbildern. Wie dem auch sei …“ Sie unterbrach sich und stand auf; um zuerst Anatoles und dann ihr eigenes Glas nachzuschenken. „… von Harriet erfuhren die jeweiligen Interessenten von einem seltenen, in Fachkreisen nicht offiziell bekannten Kunstwerk.“
Mit dem Glas in der Hand setzte Lara sich erneut im Schneidersitz aufs Bett. Anatole sagte kein Wort. „Beim ersten Zusammentreffen ist Papa immer unkooperativ, aber nicht vollkommen ablehnend. Erst ganz allmählich lässt er sich überreden und erklärt sich mit dem Verkauf einverstanden. Natürlich verlangt er einen exorbitanten Preis. Das muss er, denn sonst könnte der Kunstliebhaber beleidigt sein.“ Lara nahm einen kleinen Schluck aus dem Glas. Genießerisch ließ sie das Getränk durch die Kehle rinnen. „Ein solcher Handel wird immer in bar abgewickelt. Es gibt also keine Beweise. Dann wird das Bild in irgendeinen Himalayastaat, zum Südpol oder an einenWüstenkönig geschickt und dort unter Verschluss aufbewahrt. Den Kaufpreis stiftet Papa dann anonym karitativen Einrichtungen.“
Nach dieser aufwendigen Erklärung genehmigte Lara sich einen weiteren Schluck aus dem Glas.
„Willst du damit sagen, er treibt diesen Aufwand, all die Arbeit und dieses Versteckspiel für nichts und wieder nichts?“
„Ganz und gar nicht!“ Lara schüttelte den Kopf und lehnte sich vor. „Papa hat durchaus einen Nutzen davon, nämlich die Befriedigung seiner Malleidenschaft. Was ist denn sonst wichtig?“
Anatole kämpfte mit sich. Flüchtig dachte er an den Kodex von Recht und Unrecht. „Lara, was er tut, ist Diebstahl.“
Lara legte den Kopf zur Seite und dachte nach. „Anatole, wem gehört deine Sympathie, dem Sheriff von Nottingham oder Robin Hood?“
„Das ist nicht dasselbe.“ Anatole fuhr sich durch das Haar und versuchte, sie und sich selbst zu überzeugen. „Verdammt noch mal, Lara, es ist nicht dasselbe.“
„Das Hospital unten im Ort hat eine neue, moderne Kinderklinik“, erklärte sie ruhig, „eine kleine Stadt in den Appalachen ein neues Feuerwehrauto und moderne Feuerlöschgeräte und eine andere Stadt irgendwo in der Wüste eine wunderschöne Bibliothek.“
„In Ordnung.“ Anatole erhob sich wieder vom Stuhl und unterbrach sie. „In fünfzehn Jahren ist wahrscheinlich eine beachtliche Liste
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