Der Maler und die Lady (German Edition)
lässt.“ Lara trat näher, sodass der Lichtstrahl das ganze Bild erfasste. „Papa hat hinten auf den Rahmen der Kopie einen roten Kreis gezeichnet, damit man die zwei unterscheiden kann. Jetzt gib mir das Paket“, forderte sie ihn energisch auf. „Du kannst inzwischen das Bild von der Wand nehmen.“ Lara kniete sich hin und löste die Verpackung des mitgebrachten Gemäldes.
„Ich bin froh, dass du zufällig aufgetaucht bist. Deine Größe erleichtert das Abnehmen und Aufhängen des Bildes erheblich.“
Die Kopie in Händen, hielt Anatole bei dieser Bemerkung einen Moment inne. Lara hier auf der Stelle zu erwürgen, hätte zuviel Lärm verursacht, aber später … „Also, los, gib es schon her.“
Schweigend tauschten sie die Bilder aus. Anatole hängte seines an die Wand, während Lara das andere in das Packpapier wickelte. Nachdem sie den Bindfaden verknotet hatte, richtete sie die Taschenlampe nochmals auf die Wand. „Es hängt ein bisschen schief. Etwas mehr nach links …“
„Hör mal, ich …“ Anatole unterbrach sich. In der Ferne hörte er jemanden pfeifen.
„Der Wächter ist früh dran!“, flüsterte Lara und ergriff das Paket mit dem Bild. „Wer rechnet denn heutzutage bei seinen Angestellten mit einer solchen Pflichterfüllung.“
Mit einem raschen Griff packte Anatole seine Begleiterin und das Bild und presste sie an die Wand neben dem Durchgang.
Eingequetscht zwischen Anatoles Körper und dem Gemälde und halb erwürgt von seinem Arm an ihrem Hals, machte Lara verzweifelte Anstrengungen, sich das Lachen zu verkneifen. Anatole wäre mit Sicherheit erbost. Deshalb hielt sie den Atem an und schluckte krampfhaft.
Das Pfeifen kam näher.
Lara stellte sich den Wächter vor, wie er durch die Flure ging, hier und da stehenblieb und mit der Lampe leuchtete. Für die Gesundheit des Wächters und Anatoles Seelenfrieden hoffte sie, der Mann möge nur einen flüchtigen Rundgang unternehmen.
Anatole spürte, dass Lara zitterte, und presste sie noch fester an sich. Irgendwie würde er es schaffen, sie zu beschützen. Er vergaß dabei vollkommen, dass sie es ja gewesen war, die ihn in diese Lage gebracht hatte. Jetzt hatte er nur noch den einen Gedanken, sie hier herauszuholen.
Der Lichtstrahl fiel in den Durchgang. Der immer noch pfeifende Wächter stand wenige Schritte von ihnen entfernt. Lara zitterte wie Espenlaub. Der Lichtkegel kroch in einem weiten Bogen über die Wände des Ausstellungssaales. Anatole erstarrte. Nur noch wenige Zentimeter, und sie waren entdeckt. Einen Moment verharrte das Licht an der Wand, um dann die noch verbliebenen Wandflächen zu kontrollieren. Dann verlöschte es, und völlige Dunkelheit hüllte Lara und Anatole ein.
Unbeweglich blieben sie stehen, obwohl Lara viel darum gegeben hätte, sich von dem sie schmerzhaft drückenden Bilderrahmen zu befreien. Schweigend warteten sie weiter, bis das Pfeifen immer leiser wurde.
Als Anatole merkte, dass Lara nicht nur leicht zitterte, sondern, wie er glaubte, von Angstschauern geschüttelt wurde, zog er sie mit sich fort und flüsterte ihr aufmunternd ins Ohr. „Ist ja gut. Er ist weg.“
„Du warst phantastisch.“ Sie presste die Hand auf den Mund, um das aufsteigende Gelächter zu unterdrücken. „Hast du je daran gedacht, Einbrechen zu deinem Hobby zu machen?“
Anatole schob das Bild unter einen Arm und packte Lara mit demanderen. Zu gegebener Zeit würde sie ihm dafür bezahlen. „Gehen wir.“
„Na gut. Wir haben uns ja ohnehin nicht die beste Zeit für einen Rundgang ausgesucht. Schade. Im nächsten Raum hängen einige hervorragende Kupferstiche und ein wirklich wunderschönes Stillleben von Papa.“
„Signiert mit seinem Namen.“
„Also, bitte, Anatole.“ In der Halle vergewisserten sie sich, dass die Luft rein war. „Das war unfair.“
Schweigend legten sie den kurzen Weg bis zu den schützenden Bäumen zurück. Dann drehte sich Anatole zu Lara um. „Ich nehme das Bild mit und fahre hinter dir her. Wenn du schneller als fünfzig fährst, bringe ich dich um.“
Als sie die Autos erreichten, war Anatole von Laras plötzlicher Ernsthaftigkeit überrascht. „Ich weiß deine Hilfe zu schätzen, Anatole, und ich hoffe, du denkst nicht zu schlecht über uns. Es bedeutet mir sehr viel.“
Mit einem Finger streichelte er ihre Wange. „Darüber bin ich mir noch nicht schlüssig.“
Leicht zogen sich ihre Mundwinkel nach oben. „In Ordnung, dann lass dir ruhig Zeit.“
„Steig ein und fahr los“,
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