Der Maler
Unfallstelle. Ein Verkehrspolizist aus Maryland stand auf der Fahrbahn und leitete den Verkehr um den umgestürzten Sattelschlepper herum. Beim Anblick eines Polizeibeamten verkrampfte Delaroche sich unwillkürlich. Die Feuerwehr-und Rettungswagen verschwanden hinter ihnen, und der Verkehr begann wieder zu rollen. Delaroche nahm die Ausfahrt Wisconsin Avenue und fuhr nach Süden weiter.
Sie fuhren durchs Zentrum von Bethesda, vorbei an den exklusiven Geschäften der Mazza Galleria und den gewaltigen Türmen der National Cathedral. Die Wisconsin Avenue fiel nach Georgetown hinunter ab. Einkaufende hasteten durch die kalte Abendluft, und die Bars und Restaurants begannen sich zu füllen. Sie bogen an der M Street links ab, fuhren einige Blocks weiter und erreichten das Hotel Four Seasons.
Astrid und Delaroche lehnten es ab, sich von einem Pagen beim Transport ihres Gepäcks helfen zu lassen, und fuhren in ihr Zimmer hinauf. Sie schlossen die Tür hinter sich und fielen von zwei langen Autofahrten und dem Marsch über die Grenze erschöpft aufs Bett.
Delaroche war nach zwei Stunden wieder wach, bestellte beim Zimmerservice Kaffee und setzte sich vor seinen Laptop.
Er öffnete Michael Osbournes Dossier und begann seinen Tod zu planen.
41
WASHINGTON, D.C.
Elizabeth rief Max Lewis am Spätnachmittag im Büro an.
»Wie geht's dir?« fragte er mit Papieren raschelnd. Es war nach fünf, und er war im Begriff, nach Hause zu fahren.
»Mir geht's gut, aber der Arzt sagt, daß ich noch ungefähr eine Woche lang möglichst viel liegen soll. Deswegen rufe ich auch an. Könntest du mir heute auf dem Nachhauseweg ein paar Unterlagen vorbeibringen?«
»Kein Problem. Was brauchst du?«
»Die Akte McGregor. Sie liegt auf meinem Schreibtisch.«
»Sie ist wieder in der Registratur. Ich habe mir erlaubt, heute deinen Schreibtisch aufzuräumen. Ich weiß ehrlich nicht, wie du daran arbeiten kannst, Elizabeth. Außerdem habe ich alle deine Zigaretten weggeworfen.«
»Sei unbesorgt, ich habe das Rauc hen aufgegeben. Ebenfalls gestrichen ist der Chardonnay in der Badewanne nach der Arbeit.«
»Braves Mädchen«, sagte er. »Ich bin in einer Viertelstunde bei dir. Brauchst du sonst noch was? Soll ich was aus der Reinigung abholen? Im Sutton Place etwas für dich einkaufen? Befiehl, meine Königin.«
»Bring mir einfach nur die Akte McGregor. Ich belohne dich mit Speis und Trank.«
»In diesem Fall bin ich in fünf Minuten da.«
»Ich bin oben im Schlafzimmer, nimm also am besten deinen Schlüssel.«
»Ja, meine Königin.«
Max legte auf. Michael, der in einem Sessel neben dem Bett saß, hatte das über ein schnurloses Telefon geführte Gespräch mitgehört. Er nickte Elizabeth zu und sagte: »Perfekt.«
Max brauchte über eine halbe Stunde, um sich von der Kanzlei in der Connecticut Avenue nach Georgetown durchzukämpfen. Er steckte seinen Schlüssel ins Schloß, sperrte auf und betrat die geräumige Diele.
»Elizabeth, ich bin's!« rief er.
»Hallo, Max, komm rauf. Im Kühlschrank steht Wein. Bring ein Glas und den Korkenzieher mit.«
Er tat wie geheißen und ging ins Schlafzimmer hinauf.
Elizabeth saß von Notizblöcken und Schriftsätzen umgeben auf ihrem Bett. »Meine Güte«, sagte er. »Vielleicht sollte ich besser hier als im Büro arbeiten.«
»Das wäre vielleicht keine schlechte Idee.«
Max legte die Akte McGregor auf den Nachttisch und begann automatisch, etwas Ordnung in das Durcheinander zu bringen.
Michael kam herein, und Max sagte: »Hallo, Michael, wie geht's?«
Als Michael schwieg, erkundigte Max sich: »Irgendwas nicht in Ordnung?«
Elizabeth berührte seinen Arm. »Max, wir müssen miteinander reden.«
»Susanna hat mich gefragt, nachdem du abgelehnt hattest«, erzählte Max. Er saß in einem Sessel neben Elizabeths Bett, die Füße lässig auf einem Fußschemel. Michael hatte den Wein aufgemacht, und Max hatte die Flasche inzwischen halb geleert.
Der anfängliche Schreck war verflogen, er war jetzt entspannt und sprach ganz offen. »Sie hat mich um Hilfe gebeten. Ich habe eine Nacht darüber geschlafen und dann zugesagt.«
»Max, wenn du erwischt worden wärst, hätten sie dir fristlos gekündigt und dich wahrscheinlich angezeigt. Anwaltsfirmen verstehen keinen Spaß, wenn's um Verletzung des Anwaltsgeheimnisses geht. Das verschreckt die Mandanten und macht es verdammt schwierig, neue zu gewinnen.«
»Ich bin bereit gewesen, das zu riskieren. In meiner Lage, Elizabeth, neigt man nicht
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