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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Radkurier getarnt.
    Die N Street stellte Delaroche vor das erste große Problem.
    Dort gab es weder Läden, Cafés noch Telefonzellen - keine Möglichkeit, irgendwo unauffällig zu warten -, nur große alte Klinkerhäuser, die sehr dicht an den Gehsteig gebaut waren.
    Delaroche stand an der Ecke 33rd und N Street vor einer Villa mit großer Säulenvorhalle und überlegte. Ihm blieb nur eine Möglichkeit: Er mußte immer wieder durch die N Street fahren und darauf hoffen, daß Osbourne irgendwann sein Haus betrat oder verließ. Das war für Delaroche ungewohnt - er zog es vor, Ort und Zeit eines Mordanschlags exakt zu bestimmen, aber diesmal hatte er keine andere Wahl.
    Er schwang sich auf sein Rad, fuhr zur 35th Street, kehrte um und fuhr zur 33rd Street zurück, wobei er Osbournes Haus ständig im Auge behielt.
    Nach zwanzigminütigem Auf und Ab verließ ein Mann in einem grau-weißen Jogginganzug das Haus. Delaroche sah sich sein Gesicht gut an. Es war dasselbe Gesicht wie auf dem Foto in dem Dossier. Es war dasselbe Gesicht, das er in jener Nacht auf dem Chelsea Embankment gesehen hatte. Dieser Mann war Michael Osbourne.
    Osbourne beugte sich nach vorn und dehnte die Muskeln auf der Rückseite seiner Beine. Dann lehnte er sich an einen Laternenpfahl und streckte seine Wadenmuskeln. Delaroche, der Osbourne zwei Straßenblocks entfernt beobachtete, sah seinen Blick über die in der N Street geparkten Wagen gleiten.
    Dann richtete Osbourne sich auf und lief locker los. Er bog an der 34th Street links und auf der M Street rechts ab, bevor er über die Key Bridge nach Virginia hinüberlief. Delaroche wählte Astrids Nummer im Four Seasons und telefonierte mit ihr, während er Osbourne in gleichmäßigem Abstand folgte.
    Michael lief am anderen Ufer des Potomac den Mount Vernon Trail entlang nach Süden. Seine steifen Muskeln schmerzten, und das kalte Dezemberwetter war nicht gerade gut für sie, aber er steigerte sein Tempo und machte längere Schritte, bis er nach einigen Minuten spürte, daß er zu schwitzen begann.
    Es war schön, einmal aus dem Haus zu kommen. Vorhin hatte Carter angerufen und erzählt, daß Monica Tyler die Personalabteilung offiziell mit einer Untersuchung seines Verhaltens beauftragt habe. Elizabeth hatte endlich dem Drängen ihres Arztes nachgegeben und arbeitete zu Hause. Ihr Schlafzimmer war in ein Anwaltsbüro verwandelt worden, inklusive Max Lewis.
    Die Wolkendecke riß auf, und eine warme Wintersonne beschien die Ufer des Flusses. Vor ihm begann eine hölzerne Fußgängerbrücke, die mehrere hundert Meter weit über mit Schilf bewachsenes Marschland führte.
    Michael steigerte sein Tempo und hörte seine Schritte über die Querbohlen der Brücke poltern. An diesem Werktag hatte er die Fußgängerbrücke für sich allein. Er spielte ein Spiel mit sich selbst, indem er ein imaginäres Rennen lief. Er legte einen Spurt ein, schwang seine Arme, riß seine Knie hoch. Als er um eine Ecke bog, sah er das Ende der Brücke etwa zweihundert Meter vor sich liegen.
    Michael zwang sich dazu, noch schneller zu rennen. Seine Arme brannten, seine Beine waren bleischwer, und er keuchte von der kalten Luft und zu vielen Zigaretten. Er erreichte das Ende der Fußgängerbrücke und kam stolpernd zum Stehen. Er drehte sich um, weil er sehen wollte, wie weit er zuletzt gespurtet war.
    Dabei sah er den Mann, der mit einem Mountain Bike auf ihn zufuhr.

44
    WASHINGTON, D.C.
     
    Astrid Vogel rief unten an, damit der Parkwächter den Range Rover vorfuhr. Sie verließ das Zimmer und nahm den Lift in die Hotelhalle hinunter. Sie trug eine Umhängetasche, in der eine Beretta mit Schalldämpfer steckte. Der Range Rover stand unter der Markise vor dem Hoteleingang. Astrid gab dem Parkwächter den Abholschein und einen Fünfer Trinkgeld. Sie stieg ein und fuhr davon.
    Fünf Minuten später fuhr sie einige Straßenblocks entfernt auf der N Street rückwärts in eine Parklücke. Sie stellte den Motor ab, zündete sich eine Zigarette an und wartete auf Delaroches Anruf.
    Michael richtete sich kerzengerade auf, während Adrenalin durch seine Adern strömte. Plötzlich schmerzten seine Arme und Beine nicht mehr, und sein Atem ging kurz und stoßweise.
    Er beobachtete scharf den auf einem Mountain Bike näherkommenden Mann. Er trug einen Fahrradhelm und eine Sonnenbrille. Michael starrte auf den Rest seines Gesichts.
    Dieses Gesicht hatte er schon mehrmals gesehen - in Colin Yardleys Schlafzimmer, auf dem Flughafen Kairo, auf

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