Der Maler
die Kraft, deinen Willen zu tun, dann soll alle Welt dich lobpreisen.«
Susanna Dayton kam sich wie eine Idiotin vor. Nur in Filmen saßen Reporter in geparkten Wagen, tranken Kaffee aus einem Styroporbecher und überwachten jemanden. Als sie vor einer Stunde die Redaktio n verlassen hatte, hatte sie nicht gesagt, wohin sie unterwegs war. Sie vermutete nur etwas, das möglicherweise zu nichts führen würde. Ihre Kollegen sollten auf keinen Fall wissen, daß sie Mitchell Elliott wie ein Privatdetektiv in einem zweitklassigen Film beschattete.
Sie hatte lange für die Washington Post als Korrespondentin aus dem Weißen Haus berichtet - in der Welt des amerikanischen Journalismus der Gipfel an Macht und Prestige, aber Susanna hatte diesen Job verabscheut. Sie haßte es, im Grunde genommen die gleiche Story abzuliefern, die zweihundert andere Reporter an diesem Tag ablieferten. Sie haßte es, von den Presseleuten des Weißen Hauses wie ein Stück Vieh herumgetrieben zu werden und bei sorgfältig inszenierten und choreographierten Ereignissen Präsident Beckwith hinter den Absperrseilen stehend Fragen zuzurufen. Ihre Berichte wurden immer kritischer. Vandenberg beschwerte sich regelmäßig bei der Chefredaktion der Post. Schließlich bot die Zeitung ihr ein neues Aufgabengebiet an: Geld und Politik.
Susanna akzeptierte sofort.
Die neue Aufgabe war ihre Rettung. Sie sollte feststellen, welche Kandidaten und welche Parteien Geld von welchen Personen, Organisationen und Industrieverbänden erhielten.
Hatten die Geldspenden unzulässigen Einfluß auf politische Entscheidungen oder Gesetzgebung? Hielten die Politiker und ihre Geldgeber sich an die Spielregeln? Wurde das Geld bestimmungsgemäß verwendet? Gab es Gesetzesverstöße?
Susanna blühte bei dieser Arbeit auf, weil sie es liebte, Zusammenhänge herzustellen. Als in Harvard ausgebildete Juristin war sie eine gründliche und sorgfältig arbeitende Reporterin. Sie beurteilte praktisch alle Informationen, die sie zusammentrug, nach den Regeln für gerichtsverwertbares Beweismaterial. Hätte ein Gericht sie als Beweis zugelassen?
Handelte es sich um eine direkte Aussage oder ein Zeugnis vom Hörensagen? Gab es in einer Story nachprüfbare Namen, Daten und Orte?
Gab es ergänzende, bestätigende Aussagen? Schriftstücke waren ihr lieber als Hinweise aus anonymen Quellen, denn Schriftstücke änderten ihre Aussage nie.
Susanna Dayton war zu dem Schluß gelangt, die Finanzierung der amerikanischen Politik basiere bei Licht besehen auf Bestechung und Erpressung. Der Grenzbereich zwischen legalen und illegalen Aktivitäten war schmal. Sie betrachtete es als ihre Aufgabe, Gesetzesbrecher aufzuspüren und anzuprangern. Dank ihrer Persönlichkeit war sie die Idealbesetzung für diese Arbeit.
Sie verabscheute Menschen, die betrogen und damit Erfolg hatten. Sie konnte es nicht leiden, wenn jemand sich im Supermarkt vordrängte. Sie ging hoch, wenn ein aggressiver Fahrer sie auf der Autobahn schnitt. Sie haßte Leute, die sich auf Kosten anderer Vorteile verschafften. Ihr Job war es, Erfolge dieser Art zu verhindern.
Vor zwei Monaten hatte Susanna von ihrem Redakteur einen schwierigen Auftrag erhalten: Sie sollte die langjährigen persönlichen und finanziellen Beziehungen zwischen Präsident James Beckwith und Mitchell Elliott, dem Alleininhaber der Firma Alatron Defense Systems, durchleuchten. Journalisten benutzen eine abgedroschene Phrase, um eine schwierig zu fassende Person oder Gruppe zu bezeichnen, die sich allen Nachforschungen entzieht: zwielichtig. Und wenn irgend jemand die Beschreibung »zwielichtig« verdient hatte, dann Mitchell Elliott.
Elliott hatte der Republikanischen Partei über Jahre hinweg Millionen von Dollar gespendet, und Susanna wußte von einer Bürgerrechtsgruppe, daß er der Partei auf zweifelhaften oder eindeutig illegalen Wegen weitere Millionen hatte zukommen lassen. Von Elliotts Großzügigkeit hatte in erster Linie James Beckwith profitiert. Elliott hatte Hunderttausende für Beckwiths Wahlkampffonds und politische Aktionskomitees gespendet und als sein enger Berater fungiert. Einer von Elliotts früheren Spitzenmanagern, Paul Vandenberg, war jetzt der Stabschef des Weißen Hauses. Beckwith war häufig in Elliotts Ferienhäusern in Maui und Vale zu Gast.
Susanna ging es um zwei Hauptfragen: Hatte Mitchell Elliott James Beckwith und der Republikanischen Partei illegale Zuwendungen gemacht, und übte er unzulässigen Einfluß auf den
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