Der Maler
Alles, was sie über den schwer zu fassenden Mitchell Elliott und seine Beziehungen zu Präsident Beckwith wußte. Sie ergänzte die Datei durch die Ereignisse dieses Abends.
Dann fuhr sie den Computer herunter, schaltete ihn aus und machte sich auf eine lange Wartezeit gefaßt.
5
LONDON
Das Fax ging kurz nach Mitternacht im Nachrichtenraum der Times ein. Es blieb fast zwanzig Minuten lang unbeachtet in der Ablage liegen, bis ein junger Mitarbeiter sich die Mühe machte, es herauszunehmen. Der junge Mann las es einmal rasch durch und brachte es Niles Ferguson, dem Redakteur vom Nachtdienst. In seinen dreißig Dienstjahren hatte Ferguson schon viele Faxe dieser Art gesehen - von der IRA, der PLO, dem Islamischen Dschihad und den Verrückten, die sich als verantwortlich bezeichneten, wenn es bei Anschlägen Tote gegeben hatte. Das Fax hier sah nicht wie das Werk eines Verrückten aus.
Für Situationen dieser Art hatte Ferguson eine spezielle Telefonnummer. Er wählte sie und wartete. Eine Frauenstimme meldete sich: angenehm, leicht erotisch. »Hier ist Niles Ferguson von der Times. Ich habe gerade ein ziemlich interessantes Fax bekommen. Ich bin kein Fachmann, aber es sieht authentisch aus. Vielleicht sollten Ihre Leute es sich mal ansehen.«
Ferguson fotokopierte das Fax und behielt das Original für sich. Dann trug er die Fotokopie persönlich in die Eingangshalle hinunter und wartete. Fünf Minuten später fuhr ein Wagen vor.
Ein junger Mann mit Pockennarben im Gesicht und einer Zigarette im Mundwinkel kam herein und ließ sich das Fax geben. Niles Ferguson ging wieder nach oben.
Der junge Pockennarbige arbeitete beim britischen Security Service, besser als MI5 bekannt, der in Großbritannien für Spionageabwehr, interne Subversion und Terrorismusbekämpfung zuständig ist. Er brachte die Kopie eigenhändig in die MI5-Zentrale aus Glas und Stahl mit Blick auf die Themse und legte sie dem Offizier vom Dienst vor.
Der Offizier vom Dienst führte sofort zwei Telefongespräche.
Zuerst informierte er widerstrebend seinen Kollegen vom Secret Intelligence Service, besser als MI6 bekannt, der für die Nachrichtenbeschaffung im Ausland zuständig ist und sich deshalb für den glanzvolleren der beiden Dienste hält. Sein zweiter Anruf galt dem MI5-Verbindungsoffizier in der personell großzügig ausgestatteten London Station der CIA, die in einem anderen Stadtteil im Komplex der US-Botschaft am Grosvenor Square untergebracht war.
Keine zwei Minuten später wurde das Bekennerschreiben über eine sichere Leitung zum Grosvenor Square gefaxt. Zehn Minuten später hatte eine Datentypistin es in den Computer eingegeben und an die CIA-Zentrale in Langley, Virginia, weitergeleitet. Das Computersystem der CIA verteilte alle eingehenden Kabel automatisch nach Schlüsselworten und Geheimhaltungsstufen. Das Kabel aus London erhielten der Direktor, die stellvertretenden Direktoren für Beschaffung und Einsatz, die Exekutivdirektorin und der Offizier vom Dienst der Abteilung Naher Osten. Außerdem wurde es an die Abteilung Terrorismusbekämpfung weitergeleitet.
Sekunden später erschien es auf dem Monitor des Offiziers, der eine islamische Extremistengruppe überwachte, die sich Schwert von Gaza nannte. Dieser Offizier hieß Michael Osbourne.
6
CIA-ZENTRALE, LANGLEY, VIRGINIA
Die Zentrale, hatte Michael Osbournes Vater immer gesagt, sei der Ort, an den gute Außendienstler zurückkehrten, um langsam dahinzuwelken und zu sterben. Michaels Vater war Führungsoffizier in der Hauptabteilung Sowjetunion gewesen.
Er hatte von Moskau bis Rom und zu den Philippinen Agenten angeworben und geführt. Der berüchtigte CIA-Agentenjäger James Angleton, der zwanzig Jahre lang eine zerstörerische Maulwurfsjagd betrieben hatte, hatte seine Karriere ruiniert, wie er die Karrieren Hunderter loyaler Offiziere ruiniert hatte. Er verbrachte seine letzten Dienstjahre damit, Akten zu wälzen und sinnlose Analysen zu schreiben, und verließ die Agency desillusioniert und verbittert. Drei Jahre nach seiner Pensionierung war er an Krebs gestorben.
Michaels Rückkehr in die Zentrale geschah so widerstrebend wie die seines Vaters, aber aus anderen Gründen. Die andere Seite kannte seinen richtigen Namen und seinen Beruf, so daß er nicht mehr im Untergrund arbeiten konnte. Er akzeptierte sein Schicksal nicht viel anders als ein Musterhäftling seine Verurteilung zu lebenslänglich. Trotzdem vergaß er die Warnung seines Vaters vor den Gefahren
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