Der Maler
weil er die konservativen Prinzipien der Partei verraten habe. Seine Zuhörer nickten langsam; das Orakel hatte gesprochen.
Elizabeth sah auf ihre Armbanduhr: acht Uhr. Sie fragte sich, wie sie diesen Abend durchstehen würde, und überlegte, wer sich als erster zu der Tatsache äußern würde, daß sie allein da war. Irgend jemand blaffte ihren Namen. Sie drehte sich nach der Stimme um und sah Samuel Braxton auf sich zukommen. Er war ein brillanter und skrupelloser Anwalt mit dem durch Alter und Wohlleben verweichlichten Körper eines ehemaligen Footballverteidigers. Seine neueste Eroberung, eine vollbusige Blondine namens Ashley, hing an seinem muskulösen Arm. Sie war seine Frau Nummer drei oder vier; Elizabeth wußte es nicht mehr genau. Sie hatten einmal bei einem Abendessen nebeneinander gesessen, als sie noch Ashley DuPree hieß und auf ihre Scheidung wartete, damit sie »einen ehrlichen Mann aus Samuel machen« konnte. Sie stammte aus einer reichen Familie in Huntsville - sie hatte mehr Geld als Braxton -, die mit Pferden und Baumwolle ein Vermögen gemacht hatte. Etwas von dieser Baumwolle steckte in ihrem Kopf und gab sich als Gehirn aus.
Ashley entsprach genau Braxtons Bedürfnissen: Herkunft aus der Oberschicht, eigenes Geld und mit immerhin achtunddreißig Jahren noch die Figur eines Playmate aus dem Playboy.
»Wo ist Ihr Mann?« fragte Braxton laut. »Ich wollte mit Ashley angeben.«
Das Orakel hörte zu sprechen auf, und seine Zuhörer drehten sich um, weil sie ihre Antwort hören wollten.
»Er hat überraschend geschäftlich verreisen müssen«, antwortete Elizabeth. Sie fühlte, daß sie errötete, obwohl sie sich bemühte, wie vor Gericht anwaltliche Gelassenheit zu bewahren. Daß sie immer lügen mußte, war das Schlimmste. Es wäre viel leichter gewesen, einfach die Wahrheit zu sagen.
Der Präsident hat Luftangriffe gegen das Schwert von Gaza befohlen, und mein Mann, der bei der CIA arbeitet, kann nicht weg, nur um zu einer lächerlichen Dinner Party zu gehen... Sie wünschte sich, nur einmal die Wahrheit sagen zu dürfen.
Braxton machte eine Show daraus, die übrigen Anwesenden zu begutachten. »Nun, Elizabeth, Sie scheinen heute abend in der Minderheit zu sein. Wenn ich mich nicht irre, sind Sie das einzige eingetragene Mitglied der Demokratischen Partei in diesem Kreis.«
Elizabeth schaffte es, sich ein Lächeln abzuringen. »Sie können's glauben oder nicht, Samuel, aber ich gehöre zu den wenigen Menschen, die Republikaner tatsächlich mögen.«
Aber Braxton bekam ihre Spitze nicht mehr mit, denn er sah bereits an ihr vorbei zu Mitchell Elliott hinüber, der eben in den Garten gekommen war. Braxton überließ Ashley sich selbst und bahnte sich einen Weg durch die Gästeschar zu seinem lukrativsten Mandanten. Ashley und Elizabeth redeten eine halbe Stunde über Pferde und die Vorteile persönlicher Fitneßtrainer. Elizabeth hörte höflich zu, während sie ihr erstes Glas Wein trank und dann rasch ein zweites leerte.
Kurz vor neun bat Elliott um Aufmerksamkeit. »Meine Damen und Herrn, der Präsident hält gleich seine Rede an die Nation. Ich schlage vor, daß wir uns vor dem Essen anhören, was er zu sagen hat.«
Elizabeth folgte der Gästeschar in das riesige Wohnzimmer, in das zwei Großfernseher hereingerollt worden waren. Die Gäste versammelten sich vor den Geräten. In einem schwatzte Tom Brokaw, im anderen Peter Jennings. Dann wurden beide Moderatoren ausgeblendet, und ein grimmig dreinblickender James Beckwith starrte in die Kameras.
Paul Vandenberg versuchte, in der Öffentlichkeit nie gestreßt zu wirken, aber heute abend war er nervös, und das merkte man ihm an. Dieser Auftritt mußte unbedingt klappen. Er saß mit Beckwith in der Maske und ging die Rede ein letztes Mal mit ihm durch. Er starrte in die Monitore, um sich zu vergewissern, daß die Aufnahmeperspektive stimmte. Er ließ den Teleprompter einmal zur Probe laufen. Was er auf keinen Fall brauchen konnte, waren ein ausgefallener Prompter und ein Präsident, der in die Kamera starrte wie ein Stück Rotwild ins Scheinwerferlicht eines Autos.
Die Ansprache sollte um Punkt 21.01.30 Uhr beginnen. So hatten die Fernsehgesellschaften neunzig Sekunden Zeit für eine Einführung durch ihre Korrespondenten im Weißen Haus.
Vandenberg hatte gute Vorarbeit geleistet. Er hatte ausgewählten Journalisten mitgeteilt - selbstverständlich vertraulich -, der Präsident werde über eine militärische Reaktion auf den
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