Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
länger als geplant, und Elizabeth wurde durch ein Telefongespräch mit einem Mandanten aufgehalten. Sie rasten in getrennten Wagen zum National Airport, Elizabeth mit ihrem Mercedes aus der Innenstadt, Michael mit seinem Jaguar aus der CIA-Zentrale in Langley. Sie verpaßten den Shuttle um sieben um wenige Minuten und saßen bis acht Uhr bei einem Bier in einer deprimierenden Flughafenbar. Als sie wenige Minuten nach neun gelandet waren, nahmen sie den Hertz-Bus, um ihren Mietwagen abzuholen. Die Fähren verkehrten nach dem Winterfahrplan, was bedeutete, daß das letzte Schiff Greenport um elf verließ. Folglich hatten sie neunzig Minut en Zeit, um in dichtem Verkehr neunzig Meilen hinter sich zu bringen. Michael raste auf dem eintönigen Long Island Expressway nach Osten und schlängelte sich sicher durch den langsameren Verkehr.
    »Die defensive Fahrausbildung, die du damals in Camp Perry gemacht hast, ist anscheinend auch in der realen Welt nützlich«, sagte Elizabeth, während sie ihre Fingernägel in die Armlehne grub.
    »Wenn du willst, zeige ich dir, wie man aus einem fahrenden Wagen springt, ohne daß jemand etwas merkt.«
    »Brauchen wir dafür nicht diesen Aktenkoffer, diesen Jig oder Jib, den du in deinem Arbeitszimmer stehen hast? Wie funktioniert das Ding eigentlich?«
    »Das Ding heißt Jib und funktioniert wie ein Schachtelmännchen. Betätigt man den Schalter, springt eine Halbpuppe heraus. Wird man im Auto verfolgt, sieht das so aus, als säßen zwei Personen im Wagen.«
    »Echt geil!« meinte sie sarkastisch.
    »Außerdem ist das Ding praktisch für die Fahrspuren, die im Berufsverkehr für Alleinfahrer gesperrt sind.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    »Nein. Carter hat immer einen im Auto. Ist er mal spät dran, betätigt er einfach den Schalter, und Simsalabim! ist die Fahrgemeinschaft fertig.«
    »Gott, ich finde es toll, mit einem Spion verheiratet zu sein.«
    »Ich bin kein Spion, Elizabeth. Ich bin ein...«
    »Ich weiß, ich weiß, du bist ein Führungsoffizier. Jesus, das klingt geradeso, als wärst du beim Kinderschutzbund angestellt.«
    »Wenn du wüßtest...«
    »Nicht schneller als neunzig, Michael, okay? Was passiert, wenn ein Verkehrspolizist uns stoppt?«
    »Dagegen haben sie uns auch ein paar Tricks gezeigt.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich könnte einen Tranquilizer-Pfeil aus meinem Füller auf ihn abschießen«, antwortete Michael grinsend. Auf Elizabeths Gesicht erschien ein ungläubiger Ausdruck. »Du hältst das wohl für einen Witz?«
    »Manchmal bist du ein richtiges Arschloch, Michael.«
    »Das habe ich schon ein-, zweimal gehört.«
    Um zehn schalteten sie das Radio ein, um die Nachrichten auf WCBS zu hören.
    »... Präsident James Beckwith hat entschieden, wer in seiner zweiten Amtszeit an der Spitze des Außenministeriums stehen wird. Der Auserwählte ist sein alter Freund und politischer Förderer Samuel Braxton, ein prominenter und einflußreicher Washingtoner Rechtsanwalt. Braxton sagt, er sei von seiner Nominierung überrascht und fühle sich geehrt...«
    Elizabeth ächzte, als Sam Braxtons Tonbandstimme aus dem Lautsprecher kam. Obwohl Michael im Wahlkampfendspurt dienstlich überlastet gewesen war, hatte er wie fast ganz Washington James Beckwiths bemerkenswerten Wahlsieg aufmerksam verfolgt. Das Blatt hatte sich in dem Augenblick gewendet, in dem Flug 002 abgeschossen worden war. Andrew Sterling war damit aus dem Rennen gewesen. Was er sagte oder tat, interessierte die Journalisten nicht mehr; der sich endlos hinschleppende Wahlkampf langweilte sie, so daß sie begeistert abgesprungen waren, um eine spannendere Story zu verfolgen.
    Die Ansprache aus dem Oval Office hatte Sterlings Schicksal besiegelt. Beckwith hatte das Schwert von Gaza rasch für den feigen Anschlag bestraft, und er hatte dabei geschickt und entschlossen gehandelt. Die Initiative für eine nationale Raketenabwehr hatte Sterling in Kalifornien keine Chance gelassen. Am Morgen nach der Rede des Präsidenten hatten alle großen kalifornischen Tageszeitungen Artikel gebracht, in denen die positiven Auswirkungen dieses Programms auf die örtliche Wirtschaft geschildert wurden. Sterlings Vorsprung in Kalifornien hatte sich über Nacht verflüchtigt. Am Wahlabend hatte James Beckwith in seinem Heimatstaat mit sieben Prozent Vorsprung gesiegt.

    Michael stellte das Radio ab.
    »Er schwebt auf Wolken«, sagte Elizabeth.
    »Wer?«
    »Braxton, wer sonst?«
    »Kein Wunder. Sein Mann hat gewonnen, und jetzt wird er

Weitere Kostenlose Bücher