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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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besser.«
    »Beeil dich, ja?«
    »Wird gemacht.«
    Sie legte auf. Scanion stand mit einer Diskette in der Hand vor ihr. »Nun, die braucht sie wohl nicht mehr.« Er machte eine Pause und hatte plötzlich Tränen in den Augen. »Gott, ich kann nicht glauben, daß ich das gesagt habe.«
    »Was ist da drauf, Harry?«
    Er erklärte Elizabeth ihr System - daß Susanna ihre Arbeit immer auf eine zweite Diskette überspielt und durch seinen Briefschlitz geworfen hatte. »In dieser Beziehung ist sie paranoid gewesen.«
    »Ja, ich weiß. Als Studentin hat sie ihre Semesterarbeiten im Kühlschrank aufbewahrt, weil sie irgendwo gelesen hatte, Kühlschränke seien feuerfest.« Elizabeth lächelte bei der Erinnerung daran. »Gott, wie sie mir fehlen wird! Ich kann nicht glauben, daß das wirklich passiert ist.«
    Scanion legte die Diskette auf den Küchentisch.
    »Ich hab' sie gefunden, als ich letzte Nacht heimgekommen bin. Sie muß sie eingeworfen haben, bevor sie losgelaufen ist. Komisch, ich hab' Susanna immer gewarnt, nachts zu joggen, und nun ist sie in ihrem eigenen Haus ermordet worden.«
    Elizabeth erinnerte sich an Susannas Anruf vom Vorabend.
    Sie hatte den ganzen Tag an einer wichtigen Story gearbeitet.
    Was sie geschrieben hatte, befand sich vermutlich auf dieser Diskette.
    »Kann ich sie haben?« fragte Elizabeth.
    »Klar, aber Sie werden sie nicht lesen können.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie Verschlüsselungssoftware benutzt hat. Ich hab' Ihnen ja erzählt, daß sie in bezug auf ihre Arbeit paranoid gewesen ist.«

    »Sie wissen das Kennwort nicht?«
    »Nein, sie hat's mir nie gesagt. Ich hätte gewettet, daß sie's Ihnen gesagt hat.«
    Elizabeth schüttelte den Kopf. »Was ist mit ihrem Redakteur bei der Post?«
    »Niemals! Sie hat keinem Menschen getraut, ihren Kollegen schon gar nicht.«
    »Geben Sie mir das Ding«, sagte Elizabeth. »Ich habe einen Freund, der etwas von solchen Sachen versteht.«
    Elizabeth zeigte Michael die Diskette, als sie nebeneinander im Bett lagen. Michael zündete sich eine Zigarette an und betrachtete die Diskette von allen Seiten. Elizabeth legte den Kopf auf seinen flachen, gebräunten Bauch, fuhr mit einem Finger durch den dunklen Haarfleck in seiner Brustmitte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihn unter diesen Umständen geliebt hatte. Als er heimgekommen war, hatte sie seine Nähe gesucht. Sie hatte ihn festhalten und nie wieder aus den Augen lassen wollen. Sie war verängstigt, zu Tode geängstigt und fürchtete sich davor, ihn loszulassen.
    Sie umarmte ihn, sie küßte seine Lippen, seine Augen, seine Nase. Sie zog ihn aus und liebte ihn langsam und sanft, als wolle sie diesen Akt endlos hinauszögern. Jetzt lag sie eng an ihn geschmiegt und beobachtete, wie der Regen in breiten Strömen an ihren Schlafzimmerfenstern hinunterlief.
    »Harry sagt, daß sie verschlüsselt ist.«
    »Das ist kein Problem. Wir müssen bloß das Kennwort rauskriegen.«
    »Wie willst du das anstellen?«
    »Die meisten Leute sind faul. Sie verwenden Geburtsdaten, Straßennamen, alle möglichen Wörter und Zahlen, die sie sich leicht merken können. Du weißt mehr über Susanna als sonst jemand.«

    »Braucht man dafür spezielle Software?«
    »Die habe ich auf meiner Festplatte.«
    »Los, komm!«
    Sie zogen ihre Bademäntel an und gingen in sein Arbeitszimmer. Michael setzte sich an den Schreibtisch.
    Elizabeth blieb mit den Händen auf seinen Schultern hinter ihm stehen.
    »Geburtsdatum?«
    »Siebzehnter November achtundfünfzig.«
    Michael gab das Datum in Ziffern ein: 17.11.1958. Auf dem Bildschirm stand ZUGANG VERWEIGERT - UNKORREKTES KENNWORT.
    »Geburtsdatum rückwärts«, schlug Michael vor.
    Der Computer gab dieselbe Antwort.
    »Adresse... Adresse rückwärts... Telefon privat... Nummer rückwärts... Telefon geschäftlich... Nummer rückwärts...
    Rufname... Name rückwärts... zweiter Vorname... Name rückwärts... Familienname... Name rückwärts...«
    »Das kann ja ewig dauern«, meinte Elizabeth.
    »Nicht ewig.«
    »Hast du nicht gesagt, es sei ganz einfach?«
    »Ich habe gesagt, das sei weiter kein großes Problem. Namen der Eltern?«
    »Maria und Carmine.«
    »Maria und Carmine?«
    »Sie ist italienischer Abstammung.«
    »Italienischer Abstammung gewesen.«
    Michael arbeitete noch zwei Stunden lang gleichmäßig weiter.
    Elizabeth wußte weit mehr über Susannas Leben, als er für möglich gehalten hätte: ihre Jugendfreunde, ihre Liebhaber, ihre Heimatstadt, ihre

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