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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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blondes Haar mit Haarnadeln fest und setzte eine schulterlange schwarze Perücke auf. Delaroche trug eine Baseballmütze mit dem Werbeaufdruck einer amerikanischen Zigarettenmarke und trotz des Wetters seine Ray-Ban-Sonnenbrille.
    Die Europäische Gemeinschaft erleichterte internationalen Terroristen das Leben sehr, denn von einem Mitgliedsstaat in einen anderen zu reisen war fast risikolos geworden. Astrid und Delaroche, die sich als unverheiratete Touristen ausgaben, reisten mit niederländischen Pässen in England ein, wo ihre Papiere von einem gelangweilten Paßbeamten nur flüchtig geprüft wurden. Aber Delaroche wußte, daß die britischen Sicherheitsbehörden alle Einreisenden routinemäßig mit Videokameras filmten. Er wußte, daß Astrid und er soeben die ersten Fußabdrücke hinterlassen hatten.
    An der englischen Küste war bereits die Nacht hereingebrochen, als Astrid und Delaroche in Harwich den Zug bestiegen. Zwei Stunden später waren sie in London.
    Als Basislager wählte Delaroche ein möbliertes Apartment in South Kensington. Er mietete es für eine Woche von einer Firma, die auf die Vermietung von Apartments für Touristen spezialisiert war. Er verzichtete auf den ihnen vertraglich zustehenden Service, denn er wollte auf keinen Fall, daß eine Putzfrau ihre Nase in seine Angelegenheiten steckte. Das bescheidene, aber nette Apartment bestand aus einer vollständig eingerichteten Küche, einem großen Wohnzimmer und einem separaten Schlafzimmer. Das Telefon funktionierte direkt, ohne Umweg über eine Vermittlung, und die großen Fenster führten auf eine Straße hinaus.
    Astrid und Delaroche vergeudeten keine Zeit. Die Zielperson war ein vierundfünfzigjähriger MI6-Offizier namens Colin Yardley, der in der Sowjetunion, im Nahen Osten und zuletzt in Nordirland gearbeitet hatte, aber jetzt kaltgestellt war und an einem Schreibtisch in der Zentrale auf seine Pensionierung wartete. Yardley war ein typischer Geheimdienstler am Ende seiner Laufbahn ausgebrannt, verbittert, geschieden. Er trank zuviel und umgab sich mit zu vielen Frauen. Die Personalabteilung hatte unmißverständlich verlangt, damit müsse endlich Schluß sein, aber Yardley hatte die Affen in der Personalabteilung aufgefordert, sich zu verpissen. Das stand alles in Delaroches Unterlagen. Yardley zu ermorden würde leicht sein. Die Herausforderung lag darin, ihn auf die richtige Weise zu liquidieren.
    Trotz seiner langjährigen Außendiensterfahrung war Yardley faul und sorglos geworden, seit er wieder in London war. Er fuhr jeden Abend mit einem Taxi von der aus Glas und Stahlbeton erbauten MI6-Zentrale an der Themse zu einem Luxusrestaurant mit Bar am Sloane Square in der Nähe des Nationaltheaters. Dort machte er Jagd auf junge Frauen, die eine Vorliebe für gutaussehende Männer mit grauen Schläfen hatten, reic he Geschiedene aus dem West End und gelangweilte Hausfrauen auf der Suche nach einem anonymen Liebhaber für eine Nacht. Er erschien kurz nach sechs und nahm seinen Stammplatz an der Bar ein.
    Astrid Vogel wartete dort auf ihn.
    Sie war nicht mehr die Frau, die Delaroche vor zehn Tagen in einer Amsterdamer Buchhandlung gesehen hatte. Sie hatte den Nachmittag bei Harrods und in den glitzernden Boutiquen der Bond Street verbracht. Jetzt trug sie zu einem schwarzen Cocktailkleid schwarze Strümpfe, eine goldene Armbanduhr und eine exquisite zweireihige Perlenkette. Die schlichte schwarze Haarspange war aus ihrem blonden schulterlangen Haar verschwunden. Es war von einem redseligen italienischen Modefriseur, dessen Salon in einer Seitenstraße der Knightsbridge lag, geschnitten und leicht toupiert worden, so daß es ihr Gesicht wirkungsvoll umrahmte. Astrid verstand es, ihre natürliche Schönheit zu tarnen, aber sie wußte auch, wie sie nötigenfalls auf sich aufmerksam machen konnte.
    Delaroche saß am Sloane Square auf einer Bank und tat so, als lese er die Zeitung, die er am Kiosk vor dem U-Bahnhof gekauft hatte. Er verfolgte die Vorgänge im Restaurant wie eine Pantomime. Astrid sitzt allein an der Bar, zwischen ihren langen, schlanken Fingern die unvermeidliche Zigarette.
    Yardley, groß, grauhaarig, distinguiert, fragt, ob der Platz neben ihr frei ist. Er bekommt unaufgefordert seinen gewohnten Drink serviert, und seine Miene zeigt, daß er glaubt, sie sei beeindruckt. Er macht dem Barkeeper ein Zeichen, ihr ein weiteres Glas Weißwein hinzustellen.
    Astrid wendet sich ihm dankend zu, schlägt demonstrativ eines ihrer langen

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