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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Beine übers andere, wobei ihr Kleid weit über den Oberschenkel hochrutscht. Sie ist ihm jetzt gleichgestellt.
    Die einsame Frau von dem Amsterdamer Hausboot existiert nicht mehr. Sie ist eine sehr selbstbewußte, kosmopolitische Niederländerin, deren Mann sie ein bißchen vernachlässigt, weil er immer nur ans Geldscheffeln denkt, und natürlich dürfen Sie mir Feuer geben, Schätzchen.
    Nach einer Stunde steht sie auf und läßt sich von ihm in den Mantel helfen. Sie verabschieden sich mit einem förmlichen Händedruck, den sie einen Augenblick zu lange ausdehnt. Er fragt, in welchem Hotel sie wohnt. Im Dorchester. Soll er ihr nicht ein Taxi bestellen? Danke, nicht nötig. Kann er sie wiedersehen, bevor sie aus London abreist? Kommen Sie morgen abend wieder her, Schätzchen, und wenn Sie viel Glück haben, bin ich auch hier.
    Sie überquerte rasch den Platz, kam an Delaroche vorbei, der in seine Zeitungslektüre vertieft war, und ging die Sloane Street hinunter. Delaroche beobachtete, wie Yardley ein Taxi anhielt und wegfuhr. Er stand auf und schlenderte über den Platz zur Sloane Street, wo Astrid auf ihn wartete.
    »Wie ist's gelaufen?«
    »Er hätte mich am liebsten gleich in der Bar gevögelt.«
    »Er hat angebissen.«
    »Er hat mich auf einen Drink zu sich eingeladen. Ich habe ihm erklärt, mein Mann wäre bestimmt irritiert, wenn er mich nach seiner geschäftlichen Besprechung nicht im Hotel anträfe.«
    »Gut. Er soll dich nicht für eine Nutte halten. Schließlich kann er nicht so dumm sein, wie er aussieht. Was ist mit morgen abend?«
    »Ich habe angedeutet, daß ich sehr wahrscheinlich in der Bar sein werde.«
    »Dann kommt er bestimmt.«
    »Ich hoffe nur, ich muß ihn nicht küssen. Er hat einen grauenhaften Mundgeruch.«
    »Das liegt allein bei dir.«
    »Gott, hoffentlich versucht er's nicht. Wenn er's tut, bring' ich ihn eigenhändig um, das schwöre ich dir!«
    Am nächsten Abend kam Yardley als erster. Delaroche, der ihn von seiner Bank auf dem Sloane Place beobachtete, mußte sich ein Lachen verbeißen, als der hochspezialisierte britische Geheimdienstoffizier immer wieder erwartungsvoll zum Eingang blickte. Nach einer halben Stunde fand Delaroche, Yardley habe lange genug auf seine Belohnung gewartet. Er nickte Astrid zu, die auf der anderen Seite des Platzes am Fenster einer Weinbar saß. Fünf Minuten später schritt sie durch die Eingangstür des Restaurants, praktisch in Colin Yardleys ausgebreitete Arme.
    Sie neckte ihn. Sie spielte mit ihm. Sie hing an seinen Lippen.
    Sie fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Sie gestattete, daß er ihr zu viele Gläser Sancerre bestellte. Sie beugte sich etwas vor, damit er in ihre Bluse sehen und feststellen konnte, daß sie keinen Büstenhalter trug. Sie ließ die Kappe ihres teuren Bruno-Magli-Schuhs über die Innenseite seiner Wade gleiten. Sie versuchte mehrmals zu gehen - mein Mann wird wissen wollen, wo ich bin, Schätzchen -, aber er machte dem Barkeeper ein Zeichen, ihr ein weiteres Glas Sancerre zu bringen, und sie hatte einfach nicht die Kraft, sich von diesem schrecklich interessanten Mann loszureißen, und seien Sie ein Schatz und holen Sie mir eine neue Packung Zigaretten. Marlboro Light hundert, bitte.
    Astrid, die Verführerin. Astrid, die Vernachlässigte. Astrid, das törichte, sexuell ausgehungerte holländische Flittchen, das zu allem bereit ist, um sich die Aufmerksamkeit eines ältlichen Engländers mit einem Anzug aus der Savile Row und einer teuren Adresse zu sichern. Delaroche bewunderte ihren Auftritt.
    Und er empfand noch etwas - einen Anflug von Zärtlichkeit. Er griff in seinen Mantel und tastete nach der Glock.
    Die Sache lief plangemäß. Astrid beugte sich vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Yardley zahlte und holte ihre Mäntel. Zwei Minuten später stiegen sie in ein Taxi.
    Delaroche sah sie wegfahren. Er stand auf und folgte ihnen langsam über den Sloane Square und die King's Road entlang.
    Er machte sich keine Sorgen, als er das Taxi aus den Augen verlor; er wußte genau, wohin sie fuhren - zu Yardleys Haus am Wellington Square.
    Geh mit ihm nach Hause, Astrid. Sag ihm, daß du's eilig hast.
    Sag ihm, daß dein Mann tobt, wenn du zu lange weg bist. Geh gleich mit ihm ins Schlafzimmer. Wegen der Haustür kannst du ganz unbesorgt sein. Mich hält keine Tür lange auf.
    Delaroche bog von der King's Road auf den ruhigen Wellington Square ab. Der Lärm des abendlichen Berufsverkehrs wurde zu einem fernen Rauschen. Es

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