Der Mann auf dem blauen Fahrrad
äußerte sich dieses Empfinden meist in einem wiederkehrenden Traum, in dem er Türen zu Zimmern zu finden und zu öffnen schien, große, unerwartete Zimmer, die im Traum mit den verschiedenen bescheidenen Wohnungen zusammenhingen, in denen er tatsächlich bisher gelebt hatte. Einige von diesen nur geträumten Räumen konnten sich angenehm warm anfühlen. Aber die anderen waren meist groß und erschreckend.
Vielleicht war es die Ähnlichkeit zwischen diesen Träumen und der Situation, in der er sich gerade befand, die ihn für einen Moment erschaudern ließ. Warum war er hier? Warum musste er so tun, als sei er ein Vertreter? Musste er überhaupt so tun, als sei er jemand Besonderes?
Natürlich war er eigentlich Fotograf. War er das etwa nicht?
Ein Zufall kam ihm zu Hilfe und ließ ihn etwas von sich selbst entdecken, was er nicht wusste. Als er gerade die Volksschule abgeschlossen hatte, bekam er ganz überraschend eine Kamera, einen dunklen und verheißungsvollen Kasten. Sie hatte einen Namen. Sie trug die magische Bezeichnung Kodak No. 2A. Brownie Model B. Es war in dem Jahr, in dem er sechzehn wurde. Also 1923.
Er erhielt sie von jemandem, der normalerweise keine Sachen verschenkte, der Janne aber aus irgendeinem Grund mochte. Es war der Klempner Claes Friberg, der ihn unerwartet mit dieser Kamera überraschte. Und eine Überraschung war es wirklich. In dem großen, immer etwas verwahrlosten Haus des Klempners gab es eben nicht nur zwei Läden an der Vorderseite und die etwas altmodische Klempnerei an der Rückseite. Es war ein ziemlich lärmendes und langgezogenes Gebäude, das sich auf seltsame Art zu einer sehr schönen Gruppe von Birnbäumen gesellte. Die Zimtbirnen, fand Janne, waren die allerbesten. Unterm Dach gab es auch zwei Zimmer mit Küche, die Jan Friberg mit seiner Mutter bewohnte. Seit zehn Jahren war sie Witwe. An der Rückseite befanden sich der Garten und die Werkstatt, in der fleißige Klempner die ganze Nachbarschaft schon gegen sechs Uhr früh mit ihrem Hämmern und Sägen, Biegen und Falzen weckten. In der schönen Jahreszeit.
Zu der Kamera gehörten ein paar Filmrollen – 6 x 9 mm sollte es sein, nichts anderes, acht Belichtungen pro Rolle –, die in fast vollständiger Dunkelheit in die Kamera eingesetzt werden mussten. Was viel Geschicklichkeit erforderte. Kopierpapier, Entwicklungsbad, Fixierungsflüssigkeit und die rote Kugel, die über die nackte Glühbirne der Waschküche gestülpt wurde, kamen nach und nach hinzu. Es war die Zeit, als Janne nach dem Schulabschluss in Berg in Strands Bücherladen oben am Knektbacken zu arbeiten begonnen hatte. Seine Mutter putzte in der Bank und konnte sich als Witwe nicht vorstellen, dass man Geld für sonderbare Luxuswaren und moderne Spielsachen ausgab.
Die Kamera konnte sie ihm allerdings schlecht verbieten, da sein Onkel sie dem Jungen nun einmal geschenkt hatte, nachdem er sie aus einer eigentümlichen Laune heraus in Hasselblads Kameraladen in Stockholm gekauft hatte. Aber woher sollte man neue Filmrollen bekommen, sechs mal neun von der Marke Kodak, wenn diejenigen, die zur Kamera gehörten, verbraucht waren?
Weiß der Kuckuck, was geschehen wäre, hätte es nicht diese gesegnete Geschichte mit dem Unfall gegeben. Der Unfall wurde sozusagen zum Glücksfall. Ein Lastwagen, bis zu einer gefährlichen Höhe mit Abflussrohren beladen, der zu der neuen Anlage auf dem Bulten sollte, blieb in den Schienen der Ludvika-Bahn stecken. Der Fahrer, ein offenbar geistesgegenwärtiger Mann, sprang aus dem Fahrerhaus und flüchtete den Bahndamm hinauf, als er das Unausweichliche der Situation erkannte. Und dort stehend, mit einem Gesichtsausdruck, der ihm eine tragende Rolle in jeder beliebigen griechischen Tragödie verschafft hätte, sah er, wie die mächtig voranrauschende Dampflokomotive den schönsten und teuersten Lastwagen von Fahrer John Ahlins in einen Haufen Rohrstücke, Autoteile, Zerfall und Vergänglichkeit verwandelte, der die Phantasie beflügelte – ein unbestreitbares Zeugnis für das unaufhaltsame Voranschreiten der Zeit. Es lässt sich auch einfacher ausdrücken: Es hatte einen verdammten Knall gegeben.
Aber fünf Minuten später kam der junge Jan Viktor Friberg, der den Knall gehört hatte, auf dem schwarzen Damenrad seiner Mutter angefahren, seine Kodak 2A krampfhaft unter den Arm geklemmt. Und gleich nach ihm der Lokalkorrespondent der Vestmanlands Läns Tidning , Pastor Fors aus Sörstafors. Es war ein seltsames, ein
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