Der Mann auf dem blauen Fahrrad
doppelten Gleisen ausgerichtet ist und wo sich die Weichen mit verschiedenfarbigen Rädern und Griffen fernsteuern lassen, die alle an einem respekteinflößenden grünen Pult angebracht sind.
Was sie jetzt erblickt, ist der Stationsvorsteher oder Bahnwärter, wie es ja auch heißt, wie er umgeben ist von einer bunten Schar von mindestens acht Personen aus verschiedenen Gesellschaftsklassen, darunter eine alte Bauersfrau mit Haube, ein gebieterischer Mann mit Aktenmappe vom Hüttenwerk – oder ist es der kommunale Buchhalter? – zwei junge Männer mit Sportmützen, offenbar ohne Anstellung, sowie ein kastanienroter Setter, der niemandem zu gehören scheint.
– Ja, das kann noch lange dauern.
Das hört sie gerade den Stationsvorsteher sagen, als sie die Gruppe erreicht hat.
– Was dauert?
Bis der nächste Zug kommt, teilt derjenige mit, der vielleicht der kommunale Buchhalter ist. Es ist nämlich so, dass der einfahrende Zug bei Nybygget mit einem Lastwagen von der Zementfabrik zusammengestoßen ist. Da oben liegen Zementrohre auf der ganzen Strecke. Das ist kein kleines Unglück, kann ich dem Fräulein versichern.
Hier fand der Bahnwärter, der sich zuvor zu fein dafür gewesen war, sich in die Diskussion einzumischen, es angebracht, ein Wort mitzureden: – Es kann den ganzen Tag dauern, vielleicht zwei. Das Fräulein kann genauso gut wieder nach Hause gehen. Und den schönen Frühlingstag genießen. Und sich um ihren Hund kümmern. Das wird wohl das Beste sein.
– Meinen Hund?
– Ja, das versteht das Fräulein doch, dass Hunde nicht ohne Leine hier auf dem Bahnhofsgelände frei herumlaufen dürfen.
– Mein Hund? Aber es ist nicht mein Hund.
– Ja, dann muss sich das Fräulein wohl trotzdem um ihn kümmern. Er kann ja leicht vom Zug überfahren werden. Man sieht doch, dass es ein feiner irischer Setter ist. Es wäre schließlich schade, wenn einem so feinen Hund etwas zustoßen würde.
– Aber es gehen doch keine Züge. Es kann ja Tage dauern, hat er gerade gesagt, warf die Alte ein und stellte vorsorglich die mit Papierschnüren umwickelte Margarineschachtel ab, die sie in ihrer bläulich angelaufenen Hand hielt.
– Dann ist es doch wohl kaum möglich, dass der Köter überfahren wird, sagte der größere der beiden Jungen.
– Jetzt ist das Fräulein so nett und nimmt ihn an die Leine. Und bringt ihn von hier weg.
Es war ziemlich offensichtlich, dass der Bahnwärter ein Mann war, der wusste, was er wollte, und ungern jemand anders die Initiative ergreifen ließ. Nun hatte Irene schon einen Koffer, eine kleine Handtasche aus Lederimitat – genau wie der Koffer – und einen üppigen, duftenden Fliederstrauß, um die sie sich kümmern musste. Wenn noch ein lebhafter irischer Setter dazukäme, würde es schwierig werden. Und außerdem war es ja nicht ihr Hund.
– Ich kann dir helfen, bot ein Mädchen an.
Irene hatte es tatsächlich bisher nicht bemerkt. Es schien irgendwo im Hintergrund gestanden zu haben, wo Irene es nicht hatte sehen können. Das Mädchen war genauso groß wie sie selbst, blauäugig und jung, hatte aber rotes, fast feuerrotes Haar, nicht blondes wie Irene. Von ihrem dunkelblauen Baumwollkleid, das bis weit über die Waden reichte, löste sie den Gürtel und legte ihn behutsam um den Hals des Setters. Und dieser schien nichts dagegen zu haben. Offenbar war er es gewohnt, an der Leine zu laufen.
– So, jetzt ist es leichter. Wohin gehen wir?
– Ich habe keine Ahnung. Es ist nicht mein Hund, und ich selbst will nach Västerås.
– Aber wohin will denn der Hund?
– Wer ist der Hund? Du kannst auch fragen: Wem gehört der Hund?
– Jemand hat gesagt, er gehöre einem Fotografen, antwortete das Mädchen.
– Warum ist er dann nicht hier und kümmert sich um seinen Hund?
– Er ist wohl woanders. Kann man vermuten.
– Mag sein.
Der Fotograf
F otografie war etwas Wichtiges. Sie gehörte ganz ihm selbst, nicht der aufgezwungenen Welt da draußen. Im Unterschied zu den Aufträgen auf roten Bestellblöcken, punktierten Ballonreifen und blödsinnigen Haushaltsgeräten, ohne die die Menschheit jahrtausendelang ausgekommen ist und sicher noch ein paar Jahrtausende auskommen würde. Falls es nötig wäre.
Die Fotografie war etwas, was ihm niemand wegnehmen konnte. Nicht einmal er selbst. Auch wenn weder er selbst noch jemand anders das zugegeben hätte. Falls man sie gefragt hätte. In den zwanziger Jahren sprach man in Hallsta nicht über solche Dinge. Mittlerweile
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