Der Mann aus dem Dschungel
wies seinen Freund scharf zurecht und bemühte sich, Libby ein gewinnendes Lächeln zuzuwerfen. "Mick übertreibt. Er empfindet Mitleid mit allen armen Kreaturen, die ihm ähnlich sind."
Libby lächelte nicht zurück. "Lockern Sie die Fixierung. So weit, dass es für das Objekt bequem ist."
"Oh, er hat es sehr bequem. Er weiß sowieso nicht, wie ihm geschieht. Die Drogen betäuben ihn fast vollständig."
"Dann spricht nichts dagegen, die Fixierung zu lockern."
Alf seufzte. "Geh schon und überprüf die Fesseln, Mick. Ich teile inzwischen die Karten aus."
"Natürlich, Alf. Wie viel schulde ich dir?"
"Du schuldest mir deinen Lohn bis einschließlich Mai, Kumpel", gackerte er. "Vielleicht sollten wir lieber um Streichhölzer spielen."
"Du hast doch gesagt, es macht mehr Spaß, wenn wir um Geld spielen", sagte Mick.
Alf starrte ihn fassungslos an. "Geh schon und tu, was ich dir gesagt hab. Und denk nicht so viel nach."
Hitze und Feuchtigkeit schlugen ihr wieder entgegen, als sie das Freigelände betraten. Die Luft war zum Schneiden dick.
Sie konnte kaum atmen. Obwohl das dichte Blattwerk über ihr die heißen Sonnenstrahlen filterte, spürte sie deutlich, wie die unerträgliche Hitze sie niederdrückte. Nur eine oder zwei Stunden in dieser flüssigen Luft, und sie wäre unfähig sich zu bewegen.
John lag bewegungslos auf der Liege. Er hatte seine Position nicht verändert, seit sie ihn vor zwölf Stunden verlassen hatte.
Mick machte sich an den Handfesseln zu schaffen und löste sie minimal. "Mehr sollten wir nicht wagen, Miss", entschuldigte er sich. "Sein Blut kann jetzt wieder zirkulieren.
Aber wir wollen doch nicht, dass er die Hände frei bekommt, oder?"
"Natürlich nicht", erwiderte sie wie abwesend. "Gehen Sie zurück zu Ihrem Spiel, Mick. Ich bleibe eine Weile hier."
"Ich weiß nicht, ob ich Sie allein lassen darf…"
"Ich komme zurecht. Sie können mich sehen und hören.
Wenn irgendetwas ist, schreie ich, und Sie kommen sofort mit dem Betäubungsgewehr. Okay?"
"Okay." Mick zweifelte immer noch.
"Gehen Sie, Mick", forderte sie ihn auf. "Es ist. alles in Ordnung."
Sie wartete, bis er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
Bei Tageslicht war es erst recht unmöglich, hinter das Tarnnetz zu schauen, aber sie zweifelte nicht daran, dass Alf gleichzeitig sie im Auge behalten und Mick beim Kartenspiel besiegen würde.
"Wie geht es dir heute, John?" fragte sie. Ihre Stimme war leise und ruhig. "Haben sie dir mit den Fesseln das Blut abgeschnürt? Ich habe Alf gewarnt, aber ich glaube nicht, dass er dazulernen will. Fühlst du dich heute genauso benommen wie gestern?"
Er bewegte sich nicht. Noch nicht einmal seine Augenlider zuckten. Seine vollkommene Regungslosigkeit ließ sie näher ihn herantreten. Fasziniert starrte sie ihn an. "Du musst diese Umgebung hassen", murmelte sie. "Ich nehme es dir nicht übel. Aus dem Leben in der Wildnis entführt, betäubt und geschlagen. Ich glaube nicht, dass du Dr. McDonough umgebracht hast. Aber es würde mich nicht wundern, wenn du den Wunsch verspürt hättest."
John rührte sich nicht. Sie kam noch näher, damit sie leiser sprechen konnte. Alf und Mick lachten beim Kartenspiel. Sie fühlte sich ein wenig erleichtert. Wenigstens kontrollierten sie nicht jeden einzelnen Schritt, den sie machte, und jedes einzelne Wort, das sie an John richtete.
"Ich kann mir denken, was du empfindest", wisperte sie.
Ihre Worte waren sinnlos, aber er würde sich schneller an ihre Stimme gewöhnen, wenn sie mit ihm sprach. "Ich fühle mich auch manchmal gefangen, und niemand kann etwas daran ändern. Aber immerhin kann ich mir mein Gefängnis selbst aussuchen. Ich mag meine Arbeit, meine Wohnung, die Stadt.
In der Stadt kann man noch allein sein. Niemand achtet dort auf dich. Und die Stadt ist intellektuell sehr anregend.
Wahrscheinlich verstehst du nicht sehr viel davon. Ich gehe ins Theater und in Konzerte. Ich esse, was mir gefällt.
Einkaufen mag ich nicht, aber meistens finde ich doch etwas, was zu mir passt. Für eine allein stehende Frau führe ich ein gutes Leben."
Sie atmete tief durch und legte ihre Hände auf seinen Körper. Dieses Mal hatte sie ein Maßband dabei und maß die Länge seiner Arme und Beine sowie den Umfang seines Schädels. Sie warf einen langen Blick in sein regungsloses schönes Gesicht. "Die letzten zehn Jahre meines Lebens habe ich im College verbracht. Warum braucht jemand zwei Doktortitel und ein Diplom? Ich liebte es, klüger zu sein
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