Der Mann aus dem Dschungel
als Leute, die doppelt so alt sind wie ich. Aber alles hat seine Grenzen. Mit zwanzig verlor ich langsam den Spaß daran.
Jetzt bin ich fast dreißig. Soll ich dir was sagen? Mein Leben ödet mich an. Manchmal denke ich, das Beste wäre, zwei wilde Jäger entführen mich in den Regenwald und halten mich dort gefangen. Käme natürlich darauf an, wie sie aussehen", lachte sie schließlich.
Vorsichtig drehte sie seinen Kopf zur Seite und untersuchte die Quetschungen, die die Schlinge um seinen Hals verursacht hatte.
"Dein Nacken sieht scheußlich aus", flüsterte sie atemlos.
"Vielleicht bin ich in meiner Stadtwohnung doch ganz glücklich. Ich möchte nicht unbedingt stranguliert werden."
Sie entdeckte neue Verletzungen an seinem Arm. Alf hatte zwar die Dosis des Beruhigungsmittels reduziert, dafür aber die Nadel umso heftiger in den Arm gerammt. Ein großes Hämatom war die Folge.
"Er ist ein Schwein", flüsterte sie sanft. "Ich weiß nicht, ob ich ihn dazu bringen kann, dich nicht mehr zu verletzen, aber ich verspreche, dass ich es versuchen werde. Ich muss dich unbedingt aus diesem Drogennebel herausholen. Ich weiß, dass du mir nicht blind vertrauen kannst, aber ich bin die Einzige, die dir helfen kann."
Er rührte sich nicht. Kein Blinzeln, kein Zucken, keine Muskelbewegung. Ihre Worte waren auf taube Ohren gefallen.
Enttäuscht wollte sie sich zurückziehen.
Sie war zu langsam. Seine Hand umschloss ihre Hand wie mit dem Würgegriff einer Python, so fest, dass sie das Knacken ihrer Knöchel hören konnte. Sie seufzte auf vor Schmerz.
"Was ist da los?" Alf mischte sich über die Sprechanlage ein.
Mit aller Kraft unterdrückte sie den Schmerz. "Nichts, Mr.
Droggan. Ich spreche mit dem Objekt", antwortete sie mit erzwungener Ruhe.
"Er versteht Sie nicht", sagte Alf. "Kommen Sie doch einfach rauf zu uns. Lassen Sie uns ein Bier trinken und in aller Freundschaft ein Spielchen machen."
"Das könnte Ihnen so passen." Libby presste die Zähne zusammen und starrte den Mann auf der Liege an. Seine Hand umklammerte ihr Handgelenk mit eisernem Griff. Ihre Hand färbte sich weiß. Er sah aus wie immer. Regungslos, die Augen geschlossen. Sein Atem ging gleichmäßig.
"Lass mich los", wisperte sie. "Du tust mir weh."
Er schien sie nicht zu verstehen. Ob er wusste, was er tat?
Oder handelte er aus blindem Reflex? Sie konnte es nicht entscheiden, und im Moment interessierte es sie auch nicht.
Der Schmerz wurde unerträglich. Sie begann zu zittern und wusste nicht, wie sie ihn zum Loslassen bewegen sollte.
"Bitte", flüsterte sie mit zitternder Stimme. "Du brichst mir das Handgelenk. Ich will dir nichts Böses, aber wenn deine Bewacher das herausbekommen, werden sie dir sehr wehtun.
Ich möchte das verhindern. Bitte lass mich los."
Er reagierte nicht. Sein Griff brannte wie Feuer. Ihre Hand wurde taub, aber es war keine schmerzlose Taubheit. Es war eine brennende Taubheit, die ihr fast den Verstand raubte.
Unsinn, seine Finger einzeln von ihrem Handgelenk lösen zu wollen. Sie brauchte es gar nicht erst zu versuchen.
Stattdessen legte sie ihre freie Hand auf seinen eisernen Griff und streichelte ihn langsam und besänftigend. "Bitte", flehte sie leise. "Es tut weh."
Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und
versuchte nur noch, ihren Schmerz unter Kontrolle zu bringen.
Plötzlich ließ er sie los. Sie stolperte rückwärts und fiel zu Boden.
"Was geht dort unten vor sich?" brüllte Alf durch den Lautsprecher. "Bin gestolpert", stieß sie atemlos hervor und presste sich die schmerzende Hand auf den Bauch. "Über meine eigenen Füße gestolpert. Ungeschickt lässt grüßen", fügte sie hinzu und bemühte sich um eine feste Stimme.
Langsam rappelte sie sich auf. Die roten Streifen auf ihrem Handgelenk ähnelten den Striemen an Johns Hals. Vorsichtig streckte sie ihre Finger aus. Sie ließen sich ohne
Schwierigkeiten bewegen.
Er lag auf seiner Liege wie ein Monolith. Wahrscheinlich wusste er nicht, was er mit seinem Klammergriff hätte anrichten können. Aber gerade deshalb brachte er sich in Gefahr. Wie leicht hätte er ihr das Handgelenk brechen können! Sogar unter Narkose war seine körperliche Kraft einfach phänomenal.
"Mach das nie wieder", flüsterte sie. "Ich habe versprochen, dass ich dir helfe. Und das werde ich auch tun. Aber du musst versprechen, mir nicht weh zu tun."
Wann und warum hatte sie beschlossen, ihm zu helfen? Sie war die Wissenschaftlerin, er war das Objekt.
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