Der Mann aus dem Dschungel
untersuchen. Es wäre ohnehin zu dunkel, und sie wollte sich nicht ablenken. Langsam ließ sie ihre Füße über den Schmutz gleiten, so dass sie nicht versehentlich in eine Falle trat. Ganz ruhig, sagte sie beschwörend zu sich selbst. Glücklicherweise hatte sie nicht den Fehler gemacht, laut zu sprechen. Vielleicht wusste er gar nicht, dass sie schutzlos in seinem Gefängnis herumtappte.
Sie war fast bei der Tür angekommen. Ein schwacher
Lichtschein drang durch den Bildschirm in den Wald, und der Himmel über ihr schimmerte im hellen Morgenlicht. Nur ein paar Schritte noch, dachte sie. Dann konnte sie sich umdrehen und losrennen. Selbst wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt, konnte er sie auf die kurze Distanz unmöglich einholen. Wenn er überhaupt wusste, dass sie so dumm gewesen war, das Areal ohne Sicherheitsvorkehrungen zu betreten.
Noch ein Schritt, und sie würde sich umdrehen und
loslaufen. Ein Schritt nur, und sie wäre in Sicherheit. Ein Schritt.
Sie wirbelte herum, sprintete los und rannte direkt gegen seinen Körper.
Das Entsetzen wollte sich in einem Aufschrei Luft machen, aber sie unterdrückte den Impuls. Er schien riesig zu sein und überragte sie in der Dunkelheit. Noch nie im Leben hatte sie sich so klein und zerbrechlich gefühlt.
Er berührte sie nicht. Das brauchte er auch nicht - seine bloße Nähe war beängstigend genug. Seine Augen waren dunkel und weit aufgerissen. Sie blickte in seine dunklen Pupillen, die durch die Drogen stark geweitet waren. Sie blickte in zwei schreckliche schwarze Löcher, in denen sich die blanke Wut spiegelte.
"Tu mir nicht weh", flüsterte sie. "Bitte."
Er blinzelte nicht, sondern sah sie mit benommenem Blick intensiv an. Die gefährliche Situation schärfte ihr Bewusstsein für den weichen und warmen Körper, der vor ihr stand. Sie registrierte, dass der Himmel über ihr heller wurde, registrierte den Gesang der Vögel, den Duft der tropischen Blumen und Gewächse. Nicht schlecht für die letzte Erinnerung, dachte sie.
Paralysiert vor Angst erwartete sie, dass seine riesigen Hände sich jeden Augenblick um ihren Hals schlossen und sie in Ohnmacht niedersank.
Doch er rührte sich nicht. Stattdessen quälte sich ein rauer, gequetschter Laut aus seiner Kehle hervor. Es klang mehr nach einem schmerzhaften Ausatmen als nach dem Versuch, ein Wort zu artikulieren.
Sie starrte ihn an. Die Panik wich der Verwirrung. "Ich verstehe nicht. Was hast du gesagt?"
Er wiederholte das Geräusch. Es klang hart, guttural und vollkommen unverständlich. Aber aus irgendeinem Grund verspürte sie das Bedürfnis, ihn besänftigend zu berühren.
Plötzlich ging das Licht an. Beide erschraken. Eine Sekunde später hatte ihn das dichte Gehölz verschluckt. Unmittelbar darauf öffnete sich die Tür. Alf und Mick standen in voller Bewaffnung vor ihr.
"Was zum Teufel haben Sie hier verloren, Doc?" fragte Alf.
"Wollen Sie sich umbringen?"
Es kostete sie alle Kraft, ruhig und gelassen zu wirken. "Wo ist unser Objekt?" fragte sie zurück. "Ich konnte nicht schlafen und dachte, ich komme herunter und beobachte ihn ein bisschen. Aber die Liege ist leer, und ich kann ihn nirgends entdecken."
"Dem Himmel sei Dank", sagte Alf. "Er könnte Ihnen das Genick brechen, als ob es ein paar vertrocknete Zweige wären.
Was fällt Ihnen ein, hier herumzuschnüffeln, während er frei herumläuft?"
"Ich wusste nicht, dass er frei herumläuft. Außerdem war es zu dunkel, um die Liege von oben aus dem Kontrollraum erkennen zu können. Und Sie haben mich glauben lassen, dass er rund um die Uhr sediert und fixiert ist."
"Das können wir gar nicht, Miss", warf Mick besorgt ein.
"Er muss frei herumstreifen können, um seine Geschäfte zu erledigen, wenn Sie verstehen."
"Nein", erwiderte sie irritiert.
"Er meint, dass er ihn nicht badet oder ihm die Windeln wechselt. Und ich auch nicht", schnaubte Alf verächtlich.
"Nachts lösen wir die Fesseln und halten die Dosis niedrig.
Dann kann er sich frei bewegen."
"Und wie fangen Sie ihn morgens wieder ein?"
Alf grinste verschlagen. "Wir gehen ein bisschen auf die Jagd", antwortete er und tätschelte zärtlich sein Gewehr. "Gott weiß, dass es hier sehr langweilig ist, und ein bisschen Sport hat noch niemandem geschadet. Mick kann noch nicht einmal ein Scheunentor treffen, aber ich bin ein recht ordentlicher Schütze."
"Mit der Pistole bin ich auch ganz gut", protestierte Mick.
Alf warf ihm einen wütenden Blick zu. "Ich glaube nicht, dass
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