Der Mann aus Israel (German Edition)
Lachen
auszutauschen. Diese Situation fasziniert und erschreckt sie anscheinend gleichermaßen.
Ich verstehe es nicht ganz. Die meisten meiner Landsleute, die mit mir reisen,
haben Kinder in ähnlichem Alter. Mit denen müssen sie sich doch auch dann und
wann unterhalten. Woher kommt also dieser stumme Schrecken? Es wird doch nicht
der hautnahe Kontakt mit so viel Juden sein, der ihnen unbehaglich ist?
Ich erinnere mich, als wir uns in Petra auf dem Hohen
Opferplatz die Aussicht mit vielen anderen Touristen teilten, unter anderem
auch mit Israelis, kam Frau Köhler, die mit ihrem komplizierten Lebensgefährten
namens Nerwenka reist, eine sehr introvertierte, denkfähige Mitreisende, beim
Abstieg an meine Seite, um mir zu berichten, dass eine der israelischen Frauen
oben auf dem Gipfel sich mit ihr unterhalten habe. „Ja, und“, hatte ich ihr
geantwortet. „warum sollte sie nicht?“
„Ja, ich bin doch eine Deutsche.“ war ihre ernste Antwort
gewesen. Daran muss ich jetzt denken.
Ich lande an einem Tisch mit Raffael und Khalil. Raffael
sorgt für sich selbst, Khalil sorgt zuerst für mich. Er schleppt Vorspeisen
heran, lässt das Brot zurückgehen, weil es nicht warm genug für mich sei, er
legt mir eine Papierserviette hin, die er vorher zu einer Blume gefaltet hat.
Er schenkt mir Wasser ein, bringt Salz und Pfeffer und, natürlich, Zahnstocher.
„ Beteavon, Elisabeth.“ sagt er, „Guten Appetit. Du musst essen, viel
essen.“
Über uns dreht sich ein Ventilator. Ich spüre die kalte Luft
auf der Kopfhaut. Das ist unangenehm. „Du hast einen saudummen Platz
ausgesucht.“ sage ich zu Raffael und lege mir den Schal um den Kopf. Er geht
gar nicht auf meine Bemerkung ein.
„Jetzt machen wir noch die Bootsfahrt. Um zwei Uhr wartet
das Schiff in Capernaum. Das bringt uns direkt an die Anlegestelle beim Hotel.
Wir werden um drei Uhr dort sein. Damit ist die Arbeit für heute getan.“ freut
er sich.
„O nein, mein Bester“, entgegne ich ihm, schon wieder schärfer
als gewollt. „wir haben Zeit genug, die Leute noch auf den Golan zu bringen.
Sie müssen das unbedingt sehen. Das ist wichtig. Jeder, der Israel zum ersten
Mal besucht, muss auf den Golan.“ Ich ereifere mich. Raffael sagt kein Wort, er
sieht mich nur wütend an. „Sie werden Euch ein wenig besser verstehen, wenn sie
einmal oben waren und mit eigenen Augen sehen, was für eine Bedrohung die
Rückgabe des Golan an die Syrer für Euch bedeuten würde.“
„Einen Dreck werden sie verstehen. Du kannst erzählen, was
Du willst“, sagt er hart. „sie verstehen nichts. Nichts.“
Ich fauche zurück. „Dann fahre ich eben allein mit Khalil.
Wir brauchen Dich überhaupt nicht dazu. Hier ist sowieso immer ein Reiseleiter
zu viel. Du kannst hier unten in der Zwischenzeit ein Nickerchen machen.“ Ich
werde schon wieder so unglaublich wütend auf ihn. „Was bildet sich der Herr
Oberst denn ein? Meinst Du, Du kannst mich rumkommandieren wie Deine Rekruten?
Wir sind hier nicht auf dem Kasernenhof. Und Du“, meine Stimme überschlägt sich
fast. „Du bist hier nichts Besonderes, nur ein Reiseleiter. Und der hat
gefälligst seinen Job zu tun. Um halb zwei fahren wir.“ sage ich in Englisch zu
Khalil, der mich ganz erstaunt anschaut und nickt. Ich schaue Raffael gerade in
die Augen und bin selbst erstaunt, was ich mir da herausnehme. Ich, die ständig
gefallen möchte und sehr darauf achtet, immer im besten Licht zu erscheinen,
lasse mich derartig hinreißen. Ich knalle das Besteck auf den Tisch und gehe
ganz schnell hinaus an die frische Luft. Ich zünde mir eine Zigarette an. Mir
ist ganz schwindlig.
Um halb zwei Uhr sitzen alle im Bus. Auch Raffael. Wie ein
Stier belagert er seinen Sitz, schwer und bedrohlich. Mein Gott, denke ich, was
macht er denn für ein Theater wegen zwei Stunden mehr Arbeit. Warum sieht er es
denn nicht ein, dass ich es gut meine. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen,
den deutschen Touristen die Bilder, die ihnen bruchstückartig verzerrt und in
Sekundenschnelle in den Fernseh-Nachrichten präsentiert werden, in Realität zu
zeigen. Einmal langsam den Golan hinauffahren, das ist doch eine Chance. Die
Weite erahnen, ein Gefühl dafür entwickeln, wie gefährdet das Hula-Tal mit
seinen vielen Tausend Feldern und Plantagen ist, wie ausgesetzt der See
Genezaret den Angriffen der Syrer war, so lange die Hügel den Syrern gehörten.
Über fünfhundert Angriffe hat man von 1948 bis 1967 gezählt, bei denen viele
Menschen
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