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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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für uns anhalten, Raffi?“
    „Ich habe sie schon angehalten. Merkst Du es nicht?“ gibt er
mir leise zur Antwort. Ich döse wohlig weiter.
    Ich weiß nicht mehr genau wann, es muss in der Zeit etwa
gewesen sein, als ich vom Backfisch zum Teenager mutierte, ging ich auf
Konter-Kurs mit meiner Familie. Ich hatte genug von Nebenrollen,  wollte meine
eigene Welt und in der wollte ich die Hauptrolle übernehmen. Ich genierte mich
auch immer mehr für mein Bohème-Zuhause. Alle Welt hatte ein komplettes
„Zwiebelmuster-Geschirr“ im Schrank, bei uns gab es nur Einzelteile. Und die
waren meist angeschlagen und schlecht gespült. Es herrschte überhaupt keine
Ordnung. Das wollte ich für mich ändern. Es dauerte lang, bis ich etwas fand,
was mich völlig von meiner Familie unterscheiden würde, mich trennen und mir
meinen eigenen Weg ermöglichen würde. Ich traf die Entscheidung,
Skirennläuferin zu werden. Da schien mir keine Gefahr zu drohen, an der
nächsten Ecke Richard Wagner zu begegnen oder irgendeinem Galan meiner Mutter.
Das Skifahren wurde zu meiner Leidenschaft auserkoren. Vorübergehend. Anfangs
war ich sehr stolz auf meine Erfolge „Frankfurter Gymnasiastin gewinnt
Jugendmeisterschaft“. Aber so viel Spaß machte das ewige Skifahren
eigentlich auch nicht. Wir mussten damals noch zu Fuß die Hänge
hinaufmarschieren, die Skier über der Schulter. Und den ganzen Tag trainieren
und trainieren. Die Trainer waren grob und die anderen Mädchen und Jungen waren
meist bayrische Bauerntrampel. Ich aber war aus der Stadt, ging aufs Gymnasium
und lernte Altgriechisch und Latein. Wir schliefen ins Sechserzimmern, und die Schweiß-Socken
stanken in der Nacht um die Wette. Ich hing meine Skifahrer-Karriere bald an
den Nagel. Nur später, als Studentin, fuhr ich nach Cervinia, nach St. Moritz
oder Courchevel zu den Treffen der akademischen Rennjugend. Das war eher nach
meinem Sinn. Und einmal fuhr ich dann auch nach Davos.
    Raffael hat Orangen geschält, ohne dass ich es merkte.
„Hier, meine Prinzessin aus dem Abendland, die Früchte des Paradieses für
Dich.“ Er schiebt mir einen Schnitz in den Mund. „Sag` mal, Elisabeth, wie bis
zu eigentlich zur Archäologie gekommen?“
    „Dafür trägt ein Mann die Verantwortung, den ich gar nicht
kenne. Es war auf dem Forum in Rom, ich nahm an einer Führung teil. Der
alte Italiener, der uns führte, schwärmte von den Errungenschaften der Alten
Römer, von ihrer unerreichten Kultur. Ein Herr neben mir flüsterte mir zu, dass
dieser gute Mann wohl noch nie etwas von den altorientalischen Kulturen im
Zweistromland gehört habe. Dort sei die erhebende Wiege der Menschheit zu
finden, nicht bei diesen neureichen Römern.“ Erhebende Wiege der Menschheit, das war es, das wollte ich studieren. Ich wusste zwar nicht, wo besagtes
Zweistromland genau lag, aber sicherlich weit genug weg, um mir den Status des Außergewöhnlichen
zu verleihen, wenn ich mich damit beschäftigte. So kam ich zur Archäologie oder
besser gesagt zur Assyriologie. Dass ich später eine ernsthafte
Wissenschaftlerin werden sollte, ist meinem langweiligen Leben als Hausfrau und
Mutter in Basel zu verdanken. Ich begann irgendwann einmal, meine emotionalen
Löcher mit altorientalischem Ausgrabungs-Schutt zu füllen. „Ja, so kam ich zur
Archäologie. Ganz einfach.“
    Weshalb beteilige ich ihn nicht an der Retrospektive meines
Leben, die mir hier, im Sonnenschein an den Ufern des Mittelmeers, auf seinen
Schenkel gebettet, durchs Hirn jagt? 
    Raffi schiebt mir noch ein Stückchen Orange in den Mund.
„Ist Dein Mann auch Archäologe?“ fragt er. Ich muss lachen. Mein keimfreier
Lucius und Archäologe! Er, der jeden Tag die Unterhose wechseln muss und
sich ausführlich die Nägel manikürt, wäre totunglücklich mit Spaten und
Spitzhacke in den Lehmgruben der Ausgrabungsstätten. „Nein, er ist Jurist.“ antworte
ich. „Bist Du jetzt bald fertig mit Deiner Befragung, Herr
Untersuchungsrichter? Warte nur, gleich fange ich an, Dich auszuquetschen!“
    „Da gäbe es nicht viel zu quetschen.“ erwidert er. „Ich bin
47 und habe nichts erreicht in meinem Leben.“
    „Dann hast Du ja noch alles vor Dir.“ sage ich und meine es
ganz ehrlich. „Es gibt nichts Schlimmeres als alles erreicht zu haben.“
    Ich denke dabei an Lucius, wie er jeden Samstag im weißen
Hemd und roter „Clubjacke“ aus Strick mit goldenen Knöpfen an seinem Schreibtisch
sitzt und „Post-Tag“ abhält, weil er während der Woche

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