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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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abschreiten lässt. Mein Vaterbeanspruchte natürlich
die Hauptrollen für sich. Er war ein stolzer Tenor. Meine Schwester wechselten
jetzt in neue Rollen. Als Landgraf, Walter von der Vogelweide, Wolfram von
Eschenbach, Heinrich der Schreiber und wie sie alle heißen, die altdeutschen
Sängerbrüder, begrüßten sie Tannhäuser und wollten ihn zum Bleiben
überreden . Mir frommet kein Verweilen antwortet der ihnen. Das t am
Ende betonte Vater immer besonders. Oft flog ihm dabei auch Spucke aus dem
Mund. Erst als Wolfram von Eschenbach dem Helden zusang Bleib` bei
Elisabeth, ließ Tannhäuser mit sich reden. Zu ihr, zu ihr,
füüüüühret mich zu ihr, rief er, und der erste Akt war zu Ende.
    Jeder wurde eingespannt zur Teilnahme an Vaters Welt. Seine
Freunde, unsere Freunde, Cousins und Cousinen, auch die Dienstmädchen. Und die
Brüder meiner Mutter. Mein Lieblingsonkel war Martin, von dem mein Vater nur
als „die schwule Sau“ sprach, ihm aber dennoch immer die schönsten
Bariton-Partien unsererer Wagneriaden gab. Ich war verliebt in Onkel Martin, er
sang so schön und gefühlvoll, was eine „schwule Sau“ sein sollte, davon hatte
ich keine Ahnung.
    Alle wussten, zwischen Dunkelwerden und Abendessen gibt`s
bei Behrens Wagner live. Aber nicht zum Zuschauen, nur wer bereit war, mitzuagieren,
dem wurden die Tore geöffnet.
    Manchmal mischte sich auch meine Mutter unter die Sänger.
Sie durfte die Heilige Elisabeth oder die Elsa und natürlich die Isolde singen, all die großen Liebestragödinnen in Richard Wagners dunkler Welt.
Aber meist hatte meine Mutter keinen Appetit auf diese häuslichen
Kabinett-Stückchen. Sie ging gerne aus, auf Bälle, auf Parties, zu Premieren
und zum Karneval. Sie war eine leichtlebige Frau, verwöhnt und sehr charmant. 
Wenn Sie leicht beschwipst spät in der Nacht von ihren Ausflügen nach Hause
kam, warf sie ihre Seidenstrümpfe und ihre Unterwäsche über das Gipsmodell der
Alpen, das bei uns im Salon stand. Mein Vater hatte es nachgebaut. Das war ein
anderer Spleen von ihm. Er nutzte die nächtliche Abwesenheit meiner Mutter zum
Formen von Bergen und Tälern aus Gips, ihm waren ihre gesellschaftlichen
Eskapaden egal. Für ihn war es nur wichtig, dass er nicht mitgehen musste. Er
verabscheute Konventionen und dazu rechnete er auch die Handküsse, die er auf
Gesellschaften Frauen hätte geben müssen, die er nicht begehrte. Und das sei
ihm ein grauenvoller Gedanke, sagte er immer. Die Nylons meiner Mutter über den
Gipfeln seiner geliebten Berge machten ihn entsetzlich wütend. Er schritt dann
in die Küche und warf ihre teuersten Teetassen aus dem Schrank auf den
Steinboden in der Diele. „Antonie“, rief er dann. „das lasse ich mir nicht
bieten.“ Zwei Stunden später kuschelten und turtelten die beiden schon wieder
auf dem Sofa. Ich glaube, sie haben sich sehr geliebt. Aber mit uns Kindern
konnten sie nicht viel anfangen. Vier niedliche, kleine Unfälle, nannte Vater
uns immer, wenn er uns jemanden vorstellte. Keiner von den Eltern beachtete
uns. Wir hatten die große Freiheit, das war toll. Aber wir hatten keine
Ansprechpartner. Nur die Dienstmädchen. Aber die waren aus dem Böhmerwald. Sie
konnten herrlich Knödel zubereiten, aber was verstanden die von den Problemen
heranwachsender Schönheiten.
    Geld war auch immer da. Komisch, das fällt mir jetzt erst
auf, denke ich. Soviel ich weiß, durfte mein Vater, aufgrund der lupenreinen
Weste, die er nach dem Krieg vorweisen konnte, den Verlag der Familie sofort
weiterführen. So weltfremd er schien, war er doch ein raffinierter
Geschäftsmann. Sein Vater hatte noble Literatur verlegt, er setzte nun auf
Billigromane in unendlichen Fortsetzungen. Das verkaufte sich ausgesprochen
gut. Das war aber der Grund, weshalb unser Großvater nie zu Besuch kam. Er
hatte seinen Sohn verstoßen. „Mein Leben habe ich der Groß-Schriftstellerei
geweiht, und nun das!“ hatte er ihm vorgeworfen. Allerdings hatte Großvater
seinem Sohn schon vorher den Verlag geschenkt gehabt. Sein Pech. Uns Kindern
allerdings verbot Vater strikt, diesen „Schund“, der uns immerhin ein
behagliches Leben ermöglichte, zu lesen. Wir besorgten ihn uns dennoch, von den
Mädchen aus dem Böhmerwald.
    „Möchtest Du eine Orange?“ fragt mich Raffael. „Ja schon,
aber dann musst Du Dich bewegen, und das möchte ich nicht.“ antworte ich. „Es
ist schön so.“ Er streicht ganz leicht über meine Haare. Ich schließe wieder
die Augen. „Kannst Du die Zeit

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