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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Zeitpunkt festlegen, wann Rußland in den Krieg eintreten könnte. »Als erstes solltet ihr das Kaliber der Geschütze auf euren Kriegsschiffen vergrößern.«
    Alex schüttelte den Kopf. »Unser drittes Großkampfschiff wird in diesen Tagen vom Stapel laufen. Das vierte ist bereits im Bau. Beide sind mit Geschützen vom Kaliber 300 mm ausgestattet.«
    »Das genügt nicht, Alex. Churchill ist zum Kaliber 375 mm übergegangen.«
    »Und er hat recht. Unsere Kommandanten wissen es, aber unsere Politiker wissen es nicht. Du kennst Rußland, Onkel Stephen. Dort ist man neuen Ideen gegenüber äußerst mißtrauisch. Es dauert eine Ewigkeit, bis Neuerungen eingeführt werden können.«
    Jetzt kommen wir ins Gefecht, dachte Waiden. »Was ist denn bei euch vorrangig?«
    »Hundert Millionen Rubel sind unmittelbar für unsere Flotte auf dem Schwarzen Meer angesetzt.«
    »Ich hätte die Nordsee für wichtiger gehalten. Jedenfalls für England.«
    »Bei uns ist das Augenmerk mehr auf Asien gerichtet als bei euch – unser böser Nachbar ist die Türkei und nicht Deutschland.«
    »Sie könnten sich verbünden.«
    »Allerdings.« Alex zögerte. »Die große Schwäche der russischen Kriegsmarine ist, daß wir keine eisfreien Häfen haben.«
    Das klang wie der Beginn einer vorbereiteten Rede. Jetzt sind wir beim Kernpunkt des Themas angelangt, erkannte Waiden. Aber er setzte das Geplänkel fort. »Was ist mit Odessa?«
    »Odessa liegt am Schwarzen Meer. Die Türken haben Konstantinopel und Gallipoli und kontrollieren den Zugang zum Mittelmeer. Demnach kann man das Schwarze Meer praktisch als russischen Binnensee betrachten, jedenfalls vom strategischen Standpunkt aus.«
    »Aus diesem Grunde versucht das Russische Reich seit Hunderten von Jahren, nach Süden vorzudringen.«
    »Warum nicht? Wir sind Slawen, und die meisten Völker auf dem Balkan sind ebenfalls Slawen. Wenn sie nationale Freiheit wollen, haben sie natürlich alle unsere Sympathien.«
    »Gewiß. Um so mehr, als sie, wenn sie einmal ihre Freiheit haben, eurer Flotte freien Zugang zum Mittelmeer gewähren würden.«
    »Der Balkan unter slawischer Kontrolle würde uns helfen. Und unter russischer Kontrolle würde er uns noch mehr helfen.«
    »Zweifellos – obgleich ich mir nicht recht vorstellen kann, wie so etwas möglich wäre.«
    »Vielleicht solltest du einmal gründlich darüber nachdenken.«
    Waiden wollte etwas erwidern, besann sich jedoch plötzlich. Das ist es also, überlegte er, das ist ihr Preis. Aber es ist unmöglich, wir können den Russen nicht den Balkan geben! Falls das Geschäft davon abhängt, wird es kein Geschäft geben.
    Alex fuhr fort: »Wenn wir an eurer Seite kämpfen sollen, müssen wir stark sein. Das Gebiet, über das wir reden, ist das Gebiet, in dem wir Fuß fassen müssen, und deshalb brauchen wir dort Hilfe.«
    Klarer hätte er es nicht ausdrücken können: Gebt uns den Balkan, und wir kämpfen mit euch.
    Waiden nahm sich zusammen, runzelte scheinbar erstaunt die Stirn und sagte: »Falls wir Briten die Kontrolle über den Balkan besäßen, könnten wir euch -zumindest theoretisch – dieses Gebiet überlassen. Da dies nicht der Fall ist, bin ich nicht sicher, daß wir euch – wie du sagst – in diesem Gebiet helfen können.«
    Alex’ Antwort kam so schnell, daß sie vorbereitet sein mußte. »Aber ihr könntet den Balkan als russische Einflußsphäre anerkennen.«
    Aha, er steckt schon zurück, dachte Waiden. Das könnten wir vielleicht doch noch schaffen.
    Er fühlte sich sehr erleichtert. Aber bevor er weiter diskutierte, wollte er testen, wie entschlossen Alex war. »Wir könnten natürlich erklären, daß wir Rußland Österreich oder der Türkei in diesem Teil der Welt vorziehen«, schlug er vor.
    Alex schüttelte den Kopf. »Wir wollen mehr als das«, entgegnete er bestimmt.
    Waiden sah ein, daß er so nicht weiterkam. Alex war jung und schüchtern, aber er ließ sich nichts vormachen.
    Waiden brauchte jetzt Zeit zum Nachdenken. Falls England auf Rußlands Forderung einging, bedeutete das eine grundsätzliche Veränderung der internationalen Lage, und solche Veränderungen waren wie Bewegungen der Erdkruste, verursachten Erdbeben an den unerwartetsten Orten.
    »Vielleicht möchtest du das mit Churchill besprechen, bevor wir fortfahren«, bemerkte Alex lächelnd.
    Du weißt verdammt gut, daß ich das tun werde, dachte Waiden. Plötzlich wurde ihm klar, wie geschickt Alex vorgegangen war. Zuerst hat er mich mit einer völlig

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