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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mehr hier. Jemand hat versucht, uns in unserem Wagen zu berauben, und er hat Angst bekommen.«
    »Wo kann ich ihn finden?« fragte Felix. Er schien plötzlich nervös. »Im Savoy-Hotel – aber ich bezweifle, daß er dich empfangen wird.«
    »Ich kann es wenigstens versuchen.«
    »Es ist dir sehr wichtig, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Bist du immer noch . politisch tätig?«
    »Es ist mein Lebensinhalt.«
    »Die meisten verlieren das Interesse, wenn sie älter werden.«
    Er lächelte traurig. »Die meisten jungen Männer verheiraten sich und haben eine Familie.«
    Lydia war voller Mitleid. »Felix, es tut mir so leid.«
    Er beugte sich zu ihr und nahm ihre Hand.
    Sie entzog sie ihm und stand auf. »Faß mich nicht an«, sagte sie. Er blickte sie überrascht an.
    »Ich habe meine Lektion gelernt, auch wenn du es noch nicht begriffen haben solltest«, erklärte sie. »Ich wurde in dem Glauben erzogen, daß Wollust etwas Böses und Zerstörerisches sei. Eine Zeitlang, als wir … zusammen waren … hatte ich diesen Glauben aufgegeben oder es mir zumindest eingebildet. Und schau, was passiert ist – ich habe mein Leben ruiniert und deins dazu. Mein Vater hatte recht – Wollust ist zerstörerisch. Das habe ich seitdem nie vergessen, und so wird es auch bleiben.«
    Er blickte sie betrübt an. »Das also redest du dir ein?«
    »Es ist die Wahrheit.«
    »Die Moral Tolstois. Es mag dich nicht glücklich machen, Gutes zu tun, aber unrecht zu handeln, macht dich mit Bestimmtheit unglücklich.«
    Sie atmete tief durch. »Ich möchte, daß du jetzt gehst und nie mehr wiederkommst.«
    Er blickte sie lange schweigend an, dann stand er auf.
    »Wie du willst«, sagte er.
    Lydia war wie versteinert.
    Er trat einen Schritt auf sie zu. Sie stand still, wollte vor ihm zurückweichen, konnte es aber nicht. Er legte ihr die Hände auf die Schultern, blickte ihr in die Augen, und dann war es zu spät. Sie erinnerte sich, wie es war, wenn sie sich in die Augen schauten, und hatte keine Macht mehr über sich. Er zog sie an sich, küßte sie, hielt sie in seinen Armen. Es war immer noch wie früher, sein ruheloser Mund auf ihren weichen Lippen, suchend, liebend, sanft – sie zerschmolz. Sie drückte sich mit ihrem Körper an ihn. Es brannte wie Feuer in ihren Lenden. Sie erschauerte vor Lust. Sie nahm seine Hände, hielt sie in den ihren, nur um etwas zu halten, einen Teil seines Körpers zu fassen, mit aller Macht – Er stieß einen Schmerzensschrei aus.
    Sie lösten sich voneinander. Verblüfft starrte sie ihn an.
    Er hielt sich die rechte Hand an den Mund. Sie sah, daß er eine tiefe Wunde hatte, die unter ihrem Druck wieder zum Bluten gekommen war. Sie wollte seine Hand nehmen, sich entschuldigen, aber er trat zurück. Eine Veränderung war in ihm vor sich gegangen – der Zauber war gebrochen. Er drehte sich um und ging zur Tür. Erschrocken blickte sie ihm nach. Die Tür schlug zu. Lydia schrie auf.
    Einen Augenblick schaute sie wie gebannt auf die Stelle, wo er gestanden hatte. Sie fühlte sich vernichtet. Sie ließ sich in einen Sessel sinken und fing an zu zittern.
    Einige Minuten war sie völlig verwirrt, vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen. Endlich beruhigte sie sich und überließ sich nur noch einem Gefühl: dem der Erleichterung. Sie hatte nicht der Versuchung nachgegeben, ihm das letzte Kapitel ihrer Geschichte zu erzählen. Das war ein Geheimnis, das sie tief in ihrem Innersten verwahrte, wie ein Schrapnellstück in einer verheilten Wunde; und dort sollte es bis zum Tage ihres Todes bleiben, um dann mit ihr begraben zu werden.
    *
    Felix blieb in der Eingangshalle stehen, um sich seinen Hut aufzusetzen. Er blickte in den Spiegel, und sein Gesicht verzerrte sich zu einem triumphierenden Grinsen. Dann nahm er sich wieder zusammen und trat in die Mittagssonne hinaus.
    Sie war so leichtgläubig. Sie hatte ohne weiteres seine Geschichte von dem anarchistischen Matrosen geglaubt und ihm ohne eine Sekunde des Zögerns gesagt, wo Orlow zu finden war. Es freute ihn ungemein, daß sie immer noch so sehr in seiner Macht war. Sie hat Waiden nur meinetwegen geheiratet, dachte er, und jetzt habe ich sie dazu gebracht, ihren Mann zu verraten.
    Allerdings hatte das Gespräch mit ihr ihn zeitweilig in Gefahr gebracht. Als sie ihm ihre Geschichte erzählte, hatte er ihr Gesicht beobachtet, und dabei war ein schrecklicher Kummer in ihm aufgestiegen, eine Traurigkeit besonderer An, die ihn fast zum Weinen gebracht hätte. Aber es war so

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