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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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zu dürfen.«
    »Haben Sie keine Kinder?«
    Er blickte fort. »Ich habe nie geheiratet.«
    Charlotte war fasziniert. »Wollten Sie es einmal?«
    »Ja.«
    Sie wußte, daß es sich nicht gehörte weiterzufragen, aber sie konnte nicht widerstehen. Sie wollte wissen, wie dieser seltsame Mann gewesen sein mochte, als er verliebt war. »Was ist geschehen?«
    »Sie hat einen anderen geheiratet.«
    »Wie hieß sie?«
    »Lydia.«
    »So heißt auch meine Mutter.«
    »Wirklich?«
    Charlotte war plötzlich unruhig. »Haben Sie eine Uhr?«
    »Eine Uhr? Nein.«
    »Ich auch nicht.« Er blickte sich um und sah die Wanduhr.
    Charlotte folgte seinem Blick. »Mein Gott, es ist schon fünf! Ich wollte zu Hause sein, bevor Mutter zum Tee herunterkommt.« Sie erhob sich.
    »Werden Sie Schwierigkeiten haben?« fragte er und erhob sich ebenfalls.
    »Wahrscheinlich.« Sie wandte sich um, wollte das Cafe verlassen. Er sagte: »Ach, Charlotte .«
    »Was ist?«
    »Könnten Sie den Tee bezahlen? Ich bin ein sehr armer Mann.«
    »Oh! Ich weiß nicht, ob ich genug Geld habe. Hier sind elf Pence. Wird das ausreichen?«
    »Natürlich.« Er nahm ihr sechs Pence aus der Hand und ging zur Kasse, um zu bezahlen. Komisch, dachte Charlotte, auf was man alles gefaßt sein muß, wenn man nicht in der Gesellschaft ist. Was würde Marya von mir denken, wenn sie wüßte, daß ich einen fremden Mann zum Tee eingeladen habe? Der Schlag würde sie treffen!
    Er gab ihr das Wechselgeld und hielt ihr die Tür auf.
    »Ich begleite Sie ein Stückchen.«
    »Danke.«
    Felix nahm ihren Arm, als sie die Straße entlanggingen. Die Sonne war noch sehr warm. Ein Polizist kam ihnen entgegen, und Felix stellte sich mit ihr vor ein Schaufenster, während er vorüberging. »Warum wollen Sie, daß er uns nicht sieht?« fragte sie.
    »Sie schauen vielleicht noch nach Leuten aus, die auf dem Marsch gesehen worden sind.«
    Charlotte runzelte die Stirn. Es schien ihr recht unwahrscheinlich, aber er wußte es wohl besser als sie.
    Sie gingen weiter. Charlotte sagte: »Ich liebe den Juni.« »Das Wetter in England ist wunderbar.«
    »Finden Sie? Dann waren Sie noch nie in Südfrankreich.«
    »Aber Sie offenbar.«
    »Wir fahren jeden Winter hin. Wir haben eine Villa in Monte Carlo.« Sie besann sich plötzlich. »Sie glauben doch hoffentlich nicht, daß ich damit prahlen will.«
    »Gewiß nicht.« Er lächelte. »Sie müssen inzwischen bemerkt haben, daß ich großen Reichtum für etwas halte, dessen man sich schämen sollte, und nicht für etwas, worauf man stolz ist.«
    »Ja, ich hätte es wohl bemerken müssen. Aber ich bin nicht darauf gekommen. Verachten Sie mich jetzt?«
    »Nein, denn der Reichtum gehört Ihnen nicht.«
    »Sie sind der interessanteste Mensch, dem ich je begegnet bin«, sagte Charlotte. »Kann ich Sie wiedersehen?«
    »Ja«, antwortete er. »Haben Sie ein Taschentuch?«
    Sie nahm eines aus ihrer Manteltasche und gab es ihm. Er schneuzte sich. »Sie haben sich wirklich erkältet«, sagte sie. »Ihre Augen sind ganz feucht.«
    »Sie haben wohl recht.« Er wischte sich die Augen.
    »Wollen wir uns in diesem Cafe treffen?«
    »Es ist eigentlich kein sehr angenehmer Ort, finden Sie nicht auch?« sagte sie. »Denken wir uns etwas anderes aus. Ich weiß! Wir gehen in die National Gallery. Wenn mir dort jemand begegnet, den ich kenne, können wir so tun, als gehörten wir nicht zusammen.«
    »Einverstanden.«
    »Haben Sie Gemälde gern?«
    »Ich möchte mich von Ihnen belehren lassen.« »Dann ist es also abgemacht. Wie wäre es mit übermorgen um zwei Uhr?«
    »Fein.«
    Es fiel ihr ein, daß man sie vielleicht nicht gehen lassen würde. »Falls etwas schiefgeht und ich absagen muß … Kann ich Ihnen eine Nachricht senden?«
    »Ach . wissen Sie . ich bin viel unterwegs . « Er hatte eine Idee. »Sie könnten eine Nachricht bei Mrs. Bridget Callahan hinterlassen, Cork Street, Nummer neunzehn, in Camden Town.«
    Sie wiederholte die Adresse. »Ich schreibe es mir auf, sobald ich zu Hause bin. Ich wohne nur etwa hundert Meter von hier.« Sie zögerte. »Ich muß Sie hier verlassen. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber es ist wirklich besser, man sieht mich nicht in Ihrer Begleitung.«
    »Es Ihnen übelnehmen?« sagte er mit seinem komischen, schiefen Lächeln. »Aber nicht im geringsten.«
    Sie gab ihm die Hand. »Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Sie drehte sich um und ging davon. Es wird Ärger geben, wenn ich nach Hause komme, überlegte sie. Man wird

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