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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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brennen die leeren Scheunen nieder.«
    Die Wiese im Süden wurde gerade gemäht. Zwölf Landarbeiter bewegten sich in einer unregelmäßigen Reihe über das Feld, und die hohen Halme fielen wie Dominosteine zu Boden.
    Samuel Jones, der älteste der Arbeiter, hatte seine Reihe als erster beendet. Er kam mit der Sense herüber, um Waiden zu begrüßen. Waiden schüttelte seine schwielige Hand.
    »Hatten Eure Lordschaft Zeit, die Ausstellung in London zu besuchen?« fragte Samuel.
    »Ja, ich war dort«, erwiderte Waiden.
    »Haben Sie die Mähmaschine angesehen, von der Sie uns erzählten?«
    Waiden machte ein zweifelndes Gesicht. »Sie ist ein schönes Werk der Mechanik, Sam … aber ich weiß nicht …«
    Sam nickte. »Maschinen können einfach nicht so gut arbeiten wie ein Mann.«
    »Andererseits könnten wir das Heu in drei Tagen schneiden, statt in vierzehn – und wenn es so viel schneller geht, ist auch das Risiko, vom Regen überrascht zu werden, geringer. Und dann könnten wir die Maschine an die Pächterfarmen vermieten.«
    »Sie würden auch weniger Arbeiter brauchen«, sagte Sam.
    Waiden entgegnete mit gespielter Enttäuschung: »Nein. Ich könnte niemanden entlassen. Der einzige Unterschied wäre, daß wir während der Erntezeit keine Zigeuner mehr anzustellen brauchten.«
    »Dann würde sich also nicht viel ändern.«
    »Eigentlich nicht. Ich bin nur ein bißchen besorgt, wie die Männer es aufnehmen würden – Sie wissen ja, daß der junge Peter Dawkins bei jeder Gelegenheit Ärger macht.«
    Sam äußerte sich nicht dazu.
    »Jedenfalls«, fuhr Waiden fort, »wird Mr. Samson sich die Maschine in der nächsten Woche noch einmal ansehen.« Samson war der Gutsverwalter. »Da fällt mir gerade ein«, sagte Waiden, als sei er erst jetzt auf die Idee gekommen. »Hätten Sie nicht Lust, ihn zu begleiten, Sam?«
    Sam tat so, als halte er nicht viel davon. »Nach London?« sagte er. »Ich war 1888 dort. Hat mir nicht gefallen.«
    »Sie könnten mit Mr. Samson den Zug nehmen -vielleicht nehmen Sie auch noch den jungen Dawkins mit? Dann sehen Sie sich die Maschinen an, essen in London zu Mittag und kommen am Nachmittag wieder zurück.«
    »Ich weiß nicht, was meine Frau dazu sagen würde.«
    »Mich würde es aber freuen, Ihre Meinung über die Maschine zu hören.«
    »Interessieren würde es mich schon.«
    »Dann ist es also abgemacht. Ich werde Samson beauftragen, die nötigen Vorkehrungen zu treffen.« Waiden lächelte verschwörerisch. »Sie können ja Mrs. Jones zu verstehen geben, daß ich Sie praktisch zu dieser Reise gezwungen habe.«
    Sam grinste. »Das werde ich tun, Eure Lordschaft.«
    Die Wiese war fast gemäht. Die Männer unterbrachen ihre Arbeit. Falls es hier Kaninchen gab, hielten sie sich bestimmt im letzten ungemähten Stück versteckt. Waiden rief Dawkins herüber und gab ihm das Gewehr. »Sie sind ein guter Schütze, Peter. Schauen Sie, ob Sie eins für sich selbst und eins für Waiden Hall erwischen.«
    Die Leute standen jetzt am Feldrain, außerhalb der Schußlinie, und mähten die letzten Grasbüschel ab, um die Kaninchen auf das offene Feld zu treiben. Vier kamen heraus, und Dawkins traf zwei mit der ersten Schußrunde und eins mit der zweiten. Bei dem Gewehrfeuer zuckte Alex zusammen.
    Waiden nahm die Waffe und ein Kaninchen an sich und ging dann mit Alex nach Waiden Hall zurück. Alex schüttelte den Kopf. »Du hast eine bewundernswerte Art, mit den Leuten umzugehen«, sagte er. »Mir scheint es nie zu gelingen, das richtige Mittelmaß zwischen Disziplin und Großzügigkeit zu finden.«
    »Das ist Übungssache«, erwiderte Waiden. Er hob das Kaninchen hoch. »Wir brauchen es eigentlich nicht in Waiden Hall, aber ich nahm es, um die Männer daran zu erinnern, daß die Kaninchen mir gehören, und daß die, die sie haben, ein Geschenk von mir sind, auf das sie keinen Rechtsanspruch besitzen.« Wenn ich einen Sohn hätte, würde ich es ihm auf diese Weise erklären, dachte er.
    »Die Methode besteht in Diskussion und Konsens«, bemerkte Alex. »Es ist die beste, selbst wenn du etwas aufgeben mußt.«
    Alex lächelte. »Und das bringt uns zum Balkan zurück.«
    Gott sei Dank – endlich, dachte Waiden.
    »Soll ich es noch einmal zusammenfassen?« fuhr Alex fort. »Wir sind gewillt, auf eurer Seite gegen Deutschland zu kämpfen, und ihr seid gewillt, unser Recht auf freie Durchfahrt im Bosporus und den Dardanellen anzuerkennen. Aber wir wollen nicht nur das Recht, sondern auch die Macht, die

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