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Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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diese Notizen nicht genügen würden, weil niemand daraus klug würde, hatte er sich vorgenommen, regelrechte Memoiren abzufassen, wozu er ja genügend Zeit hatte.
      Die Idee dazu war ihm von der Zeitung gekommen, die seinen langen Brief unter der Überschrift Seltsame Bekenntnisse eines Mörders veröffentlicht hatte.
      Dann, unter dem Brieftext, folgende redaktionelle Bemerkung:

    Wie man sieht, waren wir in der Lage, unseren Lesern ein menschliches Dokument erster Ordnung anzubieten, wie es in den Archiven der Kriminalgeschichte nur ganz selten vorkommt.
       Ist Kees Popinga aufrichtig? Spielt er Theater? Womöglich vor sich selbst? Und schließlich: ist er verrückt oder bei klarem Verstand, worüber zu entscheiden uns nicht zusteht.
    Darum haben wir diesen Brief zwei sehr berühmten Psychiatern unterbreitet und hoffen, ab morgen deren Gutachten in unserer Zeitung zu veröffentlichen und damit der Polizei, nach unserer Überzeugung, einen wichtigen Dienst zu erweisen.
    Mit seinem Brief, den er so noch einmal gelesen hatte, war er gar nicht zufrieden. Die Worte, die Sätze waren im Zeitungsdruck nicht entfernt so überzeugend wie auf dem Briefpapier des Lokals, in dem er den Brief geschrieben hatte. Viele Dinge waren schlecht erklärt, andere überhaupt nicht. Fast hätte er an die beiden Psychiater geschrieben und sie gebeten, mit ihrem Gutachten noch etwas zu warten!
      So konnte zum Beispiel das, was er über seinen Vater geschrieben hatte, die Leute zu dem Glauben bringen, er sei von einem Alkoholiker erblich belastet, während sein Vater in Wahrheit erst mehrere Jahre nach Kees’ Geburt übermäßig zu trinken begonnen hatte.
      Auch hatte er nicht genügend erklärt, daß er nur deshalb ein Einzelgänger war (und das schon von der Schulbank an), weil er gespürt hatte, daß man ihm nicht den Platz einräumte, auf den er ein Anrecht hatte.
      Er mußte noch einmal anfangen, ganz von vorn und das hieß: mit seiner Geburt. Da war unter anderem zu sagen, daß er überall, auf welchem Gebiet auch immer, der Erste hätte sein können, was die reine Wahrheit war. Denn schon als Junge war er bei allen Spielen der Stärkste gewesen. Wenn er einen anderen bei einer schwierigen Übung sah, sagte er nur:
    »Das ist doch nichts, wie?«
      Und ohne jede Vorbereitung, sozusagen improvisierend, schaffte er die Übung im ersten Anlauf.
      Und was die Jahre seines Familienlebens betraf, so täuschten sich die Leute darüber vielleicht am meisten. Er hatte einfach die Wirklichkeit nicht exakt erklären können.
    Zum Beispiel würde man ihm vorwerfen, daß er seine Frau und seine Kinder nie richtig geliebt habe, was absolut nicht stimmte!
      Er hatte sie gern, das war der passende Ausdruck. Das heißt, er tat, was seine Pflicht und Schuldigkeit war, und so war er in der Tat das, was man einen guten Vater nannte, und niemand konnte ihm in diesem Punkt etwas vorwerfen.
      Im Grunde hatte er stets sein Möglichstes getan. Er hatte sich nach Kräften bemüht, ein Mensch wie alle anderen zu sein, anständig, korrekt und ehrbar, und er hatte weder Zeit noch Mühen gescheut.
      Seine Kinder waren gut genährt, gut gekleidet und gut versorgt gewesen. Sie hatten jeder ein eigenes Zimmer in der Villa, ein Bad nur für sie beide, was es längst nicht in allen Familien gibt. Er sah nicht auf die Ausgaben für den Haushalt. Also…
      Nur, man kann das alles machen und doch für sich allein bleiben mit dem vagen Gefühl, das sei nicht genug, um ein Leben auszufüllen, und man hätte vielleicht etwas anderes, Größeres vollbringen können.
      Das war es, was man ihnen verständlich machen mußte. Des Abends, wenn Frida – wie komisch doch ihr Name jetzt klang! – wenn Frida ihre Hausaufgaben machte, Mama ihre Bildchen ins Album klebte und er, Zigarre rauchend, an den Knöpfen des Radios drehte, konnte er nicht umhin, sich isoliert zu fühlen.
      Auch dann, wenn die Pfeife eines Zuges in knapp dreihundert Meter Entfernung ertönte…
      Unterdessen wanderte er, mal durch dunkle Straßen, mal durch allzu erleuchtete. Manchmal begegnete er Gruppen von Leuten, die sich untergefaßt hatten und herumtollten, mit Papphüten auf dem Kopf wie der Stadtrat.
    Er begegnete auch Männern, die langsam gingen und längs der Trottoirs Zigarettenstummel aufsammelten und vor den Cafés stehenblieben, weil sie sich irgend etwas erhofften. Er ging an Polizisten in Uniform vorbei, die ihren Silvesterabend an irgendeiner Ecke

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