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Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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stehend verbrachten und ohne besonderen Eifer für Ordnung sorgten.
      Denn kein einziger von ihnen kam auf die Idee, ihn näher ins Auge zu fassen!
      Er würde seine Memoiren schreiben, und wirklich hatte er es schon an diesem Morgen versucht, aber ohne Erfolg, denn das konnte er nur tun, wenn er allein in seinem Hotelzimmer wäre.
      Andererseits, wenn er allein war, ließen ihn seine Ideen im Stich oder vielmehr seine Gedanken nahmen eine andere Wendung, so daß er sich gezwungen fühlte, vor den Spiegel zu treten, um zu sehen, ob sein Gesicht sich verändert hätte.
      Lieber schrieb er in einer Brasserie, wo man das Leben anderer wie die ausströmende Hitze eines Ofens einatmete. Nur konnte er jetzt kein Schreibzeug mehr verlangen, wollte er nicht erleben, daß der Kellner stirnrunzelnd zur Telefonzelle eilte und die Polizei alarmierte.
      Was eigentlich durfte er noch tun? Er wußte es nicht genau, da ja Kommissar Lucas der Presse nichts darüber sagte oder ihr Schweigepflicht auferlegt hatte!
      Einen Zug zu besteigen war ihm auf jeden Fall versagt. Das vor allem! Es war undenkbar, daß nicht auf jedem Bahnhof ein Polizist war, der sich die Reisenden ansah und die Personenbeschreibung von Kees Popinga im Kopf hatte.
    Und die Straßenmädchen? Da war er nicht sicher. Man müßte es versuchen, aber das war ein großes Risiko. Andererseits, wenn er wieder allein schliefe, wußte er, daß er eine böse Nacht verbringen würde, schlecht für den folgenden Tag, denn er würde ohne Schwung aufwachen und ohne seinen gewohnten klaren Kopf.
      Was er wirklich gebraucht hätte, war eine Frau wie Jeanne Rozier, die ihn begriffen und ihm geholfen hätte, denn sie besaß die nötige Intelligenz. Übrigens war er überzeugt, daß auch sie das gefühlt und von Anfang an gewußt hatte, daß er ganz etwas anderes war als ihr Gigolo Louis, bei dem es gerade dazu reichte, Autos zu stehlen und sie in der Provinz zu verkaufen, was ein Kinderspiel ist. Hatte er, Popinga, das nicht gleich beim ersten Mal fertiggebracht, ohne auch nur zu zittern?
      Ob die Polizei wohl die Garage von Juvisy überwachte, wie er ihr empfohlen hatte? Wer weiß? Er hatte das nicht rein zufällig getan. Louis hinter Schloß und Riegel, wo er zweifellos ein paar Jährchen abzusitzen hätte mit Goin und den anderen, und Jeanne Rozier würde ganz allein sein, und dann…
      Doch zunächst mußte er irgendwo schlafen, und dieses Problem wurde allmählich immer lästiger, weil es sich jeden Abend neu stellte, mit allen Risiken, die es mit sich brachte. Kees wußte nicht einmal genau, wo er sich befand. Er mußte erst zwei Straßennamen lesen und eine Metro-Station finden, um festzustellen, daß er am Boulevard Pasteur war, in einem Viertel, das er noch nicht kannte und das ihm ebenso trostlos wie das von Gobelins vorkam.
    Einzelne Wohnungen waren noch erleuchtet. Er sah aus den Häusern Leute herauskommen, die bei Freunden Silvester gefeiert hatten und sich auf die Suche nach einem Taxi machten. Ein Mann und eine Frau, die in dieser Weise unterwegs waren, stritten sich, und Kees hörte im Vorübergehen, wie die Frau sagte:
      »Bloß wegen Neujahr brauchtest du sie aber nicht so oft zum Tanz aufzufordern!…«
      Verrückt, das Leben! Und erst recht diese Nacht! Ein Alter schlief, der Länge lang auf einer Bank ausgestreckt, und zwei Polizisten spazierten gemessenen Schritts dahin, wobei sie über ihre kleinen Sorgen und wahrscheinlich über ihre schlechte Besoldung sprachen…
      Wahrlich hart, sich dazu entschließen zu müssen, allein zu schlafen, ganz abgesehen davon, daß… Zu dumm! Im Moment hatte er es nicht bemerkt… Aber nachträglich erregte ihn dieses dicke Mädchen im blauen Seidenkleid, das er im Arm gehalten hatte, doch noch… Aber er hatte sich eben an diese schlampige Intimität gewöhnt, jeden Abend mit irgendeiner Unbekannten…
      Warum sollte er sich das nicht noch einmal leisten? Allerdings gab es in dieser Nacht wenig einsame Frauen auf den Straßen. Sogar vor den Hotels, wo sie sich gewöhnlich aufhalten, sah er keine. Ob die wohl auch Silvester feierten?
      Er ging weiter. Von ferne sah er den Bahnhof Montparnasse, aber den mied er, denn er war überzeugt, daß die Gegend für ihn gefährlich war.
      Nach einer weiteren halben Stunde hatte er immer noch keine getroffen, und so betrat er mißgelaunt und mit müden Beinen ein Hotel mit der kleinen Hoffnung, daß er vielleicht von einem Zimmermädchen

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