Der Mann, der den Zügen nachsah
denn er spürte, daß man eine Leere um ihn schaffen wollte.
Trotzdem nahm er sich in acht. Wenn er durch die Straßen ging, vermied er jeden fragenden oder ironischen Blick. Er mied die Straßenmädchen und zog es vor, schlecht zu schlafen und sogar einen Teil der Nacht wach zu liegen, mitunter nicht ohne Herzbeklemmung.
Er hatte eine neue Erfahrung gemacht. Der Zufall hatte ihn ins Viertel Javel geführt, in ein sehr übles Hotel. Er hatte es für schlau gehalten, das Niveau dieser Etablissements zu wechseln. Das war falsch! Er war es nicht gewöhnt, in so armseligen Hotels abzusteigen, und er hatte die erstaunten Blicke wohl bemerkt.
Also: nicht zu tief heruntersteigen und auch nicht zu
hoch hinauf! Im übrigen besaß er nur noch zwölfhundert Francs und würde sich sehr bald neues Geld besorgen müssen. Er dachte schon darüber nach. Noch hatte er etwas Zeit, aber es war gut, sich schon mit dem Problem zu befassen.
Die Nacht im Viertel von Javel war die Nacht vom 7. zum 8. Januar, und nachdem Popinga am Morgen sein schmutziges Hemd in die Seine geworfen hatte, zog er einen Ortswechsel vor, ehe er sich irgendwo niederlassen würde, um die Zeitungen zu lesen. Es regnete. Für die anderen war das nichts weiter als eine kleine Unbequemlichkeit. Für ihn, der einen großen Teil des Tages auf den Straßen verbringen mußte und der keine Kleidung zum Wechseln hatte, war das von großer Bedeutung und wirkte auf ihn wie ein böser Streich der Natur.
Doch zunächst zu einem anderen bösen Streich!
In einer besseren Brasserie in der Nähe der Madeleine wäre er beinahe in ein grimmiges Lachen ausgebrochen, als er ausgerechnet in der Zeitung, für die Saladin arbeitete, las:
Polizei läßt einen Autodieb frei
Das Tollste war, daß er schon seit einigen Tagen etwas dieser Art erwartete. Er hatte sich nicht getäuscht in der Annahme, daß so etwas Hinterhältiges in der Mache war. Aber das hier…
Gestern gegen fünf Uhr nachmittags waren wir zufällig auf der Kriminalpolizei, als einer der vorige Woche verhafteten Autodiebe freigelassen wurde.
Als jener gewisse Louis aus dem Büro von Kommissar Lucas herauskam, haben wir uns um nähere Auskünfte von offizieller Seite bemüht, stießen aber auf eine kalte Front des Schweigens.
Wir müssen uns also auf die Ergebnisse unserer persönlichen Nachforschungen beschränken und können nur Vermutungen äußern.
Stellen wir also zunächst fest, daß die Presse nicht informiert wurde, als in der Nacht vom 1. zum 2. Januar Kommissar Lucas, der sich im allgemeinen nicht mit solchen Sachen befaßt, persönlich die Verhaftung einer Bande von Autodieben leitete.
Warum diese Geheimnistuerei? Und warum ist bisher von dieser großangelegten Aktion nichts durchgesickert, die immerhin zur Verhaftung von vier Männern und einer Frau geführt hat?
Wir glauben diese Frage beantworten zu können, denn wir sind über den Boß der Bande im Bilde, die unter dem Namen »Bande von Juvisy« bekannt ist, denn dort wurden die Autos noch in derselben Nacht umfrisiert, ehe sie zum Verkauf in die Provinz gingen.
Boß der Bande ist also ein gewisser Louis, ehemaliger Kokain-Schmuggler und Geliebter von Jeanne Rozier.
Die wurde, wie man sich erinnert…
Kees Popinga hätte den Artikel weiterschreiben können, und besser als sein Freund Saladin! Noch niemals lag in seinem Lächeln so viel Verachtung für die Zeitungen, für Lucas, für die ganze Menschheit!
Damit erklärt sich die persönliche Intervention von Kommissar Lucas im Fall von Juvisy. Nach erfolgter Verhaftung der Bande, wozu auch eine gewisse Rose gehört, ehemaliges Zimmermädchen in einem Bordell und Schwester des Werkstattbesitzers Goin, sind die Verhöre in vollem Gange, ohne daß die Presse darüber informiert wurde.
Sollten wir jetzt glauben, Louis sei freigelassen worden, weil sich seine Unschuld herausgestellt hätte? Wir sind nicht dieser Meinung. Und wir gestehen, daß wir mangels näherer Auskünfte vom Quai des Orfèvres einige Personen aus gewissen Kreisen befragt haben, die besonders über Louis und die Art seiner Geschäfte etwas wissen.
»Wenn Louis wieder freigelassen worden ist«, so wurde uns gesagt, »dann, weil er eine besondere Aufgabe zu erfüllen bat, Sie verstehen?«
Wie um diese Ansicht zu bestätigen, machte der vorgenannte Louis eine Runde durch verschiedene Bars, wo er Freunden geheimnisvolle Instruktionen gab.
Sagen wir, um uns
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