Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
reichen, behüteten, polizei- und gangsterlosen Welt in diesen Sumpf geraten?“
„Einfach nur Schicksal, Mann. Pech, Zufall, Affinität, zur fa lschen Zeit am falschen Ort, nenn es wie du willst.“
„Ich nenne es Willkür dieses Polizisten.“
„Nicht unbedingt. Eine Zufallsentscheidung von ihm, eine Zufallsbegegnung mit dir, deine Zufallsbereitschaft...“
„Und von da an führt alles zwingend in den Untergang.“
„Shit happens. Schau jetzt lieber nach vorn und mach’s besser.“
Gegen Abend passierten wir Dreilinden und fuhren über den Avus Richtung Berlin Mitte.
„Wir gehen gleich mal in die Wolga. Ist ne Russenkne ipe, aber dort verkehren auch viele Russlanddeutsche.“
Er parkte das Campmobil in einer unbelebten Straße neben e iner Großbaustelle am Rande von Berlin Mitte, und zu Fuß ging es von hier aus auf Kneipen- und Discotour. Rogalla war einer jener glücklichen Menschen, denen es gelungen war, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Er amüsierte sich königlich, plauderte und soff, machte Frauen an wie am Fließband, tanzte wie ein Irrer, und eher so nebenbei sammelte er die Informationen, wegen denen wir eigentlich gekommen waren. Erst um vier Uhr Früh war für ihn Feierabend. Er hielt sich gerade, aber hatte dabei das Grinsen des Stockbesoffenen im Gesicht.
„Weißt du was, Watson“, verkündete er, als wir ans Wohnmobil z urückkamen. „Irgendwie bist du meinem Glück im Wege. Ich könnte jetzt mit Natascha eine Nummer schieben, mit Elke, Natalie oder mit allen dreien gleichzeitig. Die würden glatt Schlange stehen für mich, aber statt dessen muss ich mir dein Geschnarche anhören. Morgen ziehst du in ein Hotel.“
„Morgen ist Schluss mit der Sauferei und den Anmachsprüchen, oder ich fahre nach Hause zurück. Wir sind nicht zum Spaß hier.“
„Spaß muss sein, du Stachelschwein. Wie willst du überhaupt nach Hause kommen, wenn ich dir kein Geld gebe?“
Er lachte grölend und ließ sich angezogen auf die Pritsche fa llen. Ich zog meine Schuhe aus, Jacke, Hose und Hemd und kroch unter die Decke meiner Pritsche, die seiner parallel gegenüber lag.
„Hey, Kumpel“, flüsterte er ohne mich anzuschauen. „Wir sind ein gutes Stück weitergekommen. Honkes ist tatsächlich hier.“
Er neigte den Kopf zu mir.
„Morgen finden wir heraus, wo.“
Es dauerte keine fünf Minuten, da fing er an zu schnarchen. Ich drückte mein eines Ohr fest gegen die Matratze, legte das Kissen auf das andere, zog mir die Decke über den Kopf, es half nichts. Durch die Dachluke und die kleinen Plastikfensterchen kroch der neue Tag zu uns herein, was Rogalla nicht störte, aber mir das Einschlafen gar ganz unmöglich machte. Als ich dann doch endlich eindöste, ratterte direkt neben mir ein Presslufthammer los. Keinem von uns war gestern Abend aufgefallen, dass eine Großbaustelle nicht der ideale Ort zum Campen war.
Rogalla schnarchte ungerührt weiter. Mir fiel die Begegnung mit Honkes im Haus seiner Mutter ein, als ich ihn vergeblich zu we cken versucht hatte. Wie ähnlich die beiden sich waren, dachte ich. Diese Karate-Coolness, die man zunächst für aufgesetzt hält, aber in Extremsituationen zeigte sich, wie tief die auf totaler Selbstbeherrschung ruhende Gelassenheit in ihnen wurzelte. Wenn sie schliefen, dann drang nichts zu ihnen durch.
Zu dem Presslufthammer gesellte sich weiterer Lärm. Laster röh rten, Bagger rammten ihre Schaufeln in den harten Boden, Befehle wurden gebrüllt. Ich beschloss, einen anderen Standort für den Camper zu finden. Wahrscheinlich würde ich diesen Tiefschläfer nicht mal damit wecken, und wenn doch, dann würde er leicht wieder einschlafen.
Ich zog mir gerade die Hosen an, da schnellte Rogalla aus einem Schnarcher heraus so plötzlich in die Aufrec hte, dass ich vor Schreck zusammenzuckte. Ich dachte, ich sei es gewesen, der ihn geweckt hatte, aber da war noch etwas anderes, ein Geräusch an der Tür, das bei all dem Baustellenlärm kaum zu hören war. Jemand klopfte, und jetzt hörte ich auch eine gedämpfte Stimme:
„Hallo, ist da jemand drin? Machen Sie bitte mal auf, hier ist die Polizei.“
„Verdammt, vielleicht suchen die mich“, flüsterte ich. Rogalla, hellwach geworden, stand auf.
„Lass mich das machen.“
Er ging zur Tür, öffnete und versperrte dem Polizisten mit seiner Länge und Breite den Blick ins Wageninnere. Ich hockte auf der Pritsche und überlegte, wo ich mich verstecken könnte.
„Na, Meister“, hörte ich den
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