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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie meine Speiche durchgebissen und ein Stück aus meinem Arm gerissen hatte.
    Was um mich herum passierte, spielte keine Rolle mehr. Mir sind nur ein paar Bruchstücke gegenwärtig, von denen ich nicht sagen könnte, ob sie meiner rasenden Panik entspru ngen oder tatsächlich geschehen sind. Die drei Kerle ließen von mir ab, es war nicht mehr nötig mich festzuhalten. Der Vergewaltiger löste sich mit einem übertriebenen Stöhnen von der Frau und verschwand aus meinem Blickfeld.
    Ich packte mit der linken Hand ihren Kiefer, um sie zu zwingen, loszulassen, aber sie verbiss sich nur noch fester. Ich rutschte auf sie, meinen Oberkörper von ihr we ggedrückt, und schob damit, weil es meine Armhaltung so erzwang, ihren Kopf nach rechts zur Seite. Das Blut aus meinem Handgelenk hatte ihren Hals besudelt und lief über ihr Gesicht.
    Ich riss ihr die Binden von Augen und Ohren und schrie sie an, sie solle losla ssen. Ich dachte, wenn sie mich sah und meine Stimme hörte, würde sie erkennen, dass keine Gefahr von mir ausging, aber sie starrte mich an mit einer Mischung aus Hass, Todesangst und dem Wunsch nach Rache und ließ erst recht nicht locker. Links neben mir blitzte es zweimal, ich dachte: Die haben mich doch schon mal auf die Art angeblitzt – und im gleichen Moment endete meine Erinnerung an diese Szene abrupt.

Kapitel 6
     
    Als erstes höre ich Stimmen, dann sehe ich Uniformen und denke: Gott sei Dank, Polizei, ich bin gerettet.
    Dann kommen die Schmerzen. Mein Hinterkopf oberhalb des Halsansatzes: stumpfer, sich an der Schädeldecke ausbreitender, tiefe Übelkeit verursachender Schmerz; mein rechtes Handgelenk: ein Loch voll Schmerz, fressend, nagend, bohrend; mein ganzer Körper ein Tagebuch der Schmerzeinträge, die meine Irrfahrt hierher dokumentieren: Fußgelenke von den Handschellen durchgescheuert, ringförmig brennender Schmerz; Hiebe hier und da gegen Kopf und Körper, stumpf pochend; linke Oberschenkelrückseite, Schlag oder Stich, das Betäubungsgift scheint auch jetzt noch meine Gewebe zu zersetzen mit Schmerzen, die in alle Richtungen wirken.
    Wieder diese Blitze. Stimmen, es klingt wie russisch. Unter mir ein regloser Körper. Die Frau. Ihr Mund blutverschmiert. Man packt mich unter den Achseln und zerrt mich von ihr heru nter. Meine schwarze, blutverkrustete Wunde hat was dagegen, bewegt zu werden. Ich will nicht, aber muss schreien.
    Sie se tzen mich auf einen der Stühle, nur mit Unterstützung kann ich mich aufrecht halten. Ein Polizist öffnet die Handschellen der Frau. Ein Arzt geht neben ihr in die Hocke, leuchtet ihr mit einer kleinen Taschenlampe in ein Auge, wirkt erleichtert, nickt einem Polizisten zu. Zwei Sanitäter kommen herein, betten sie vorsichtig auf eine Tragbahre, bedecken ihre Blöße mit einem weißen Laken. Der Polizist löst die Handschellen vom Heizungsrohr und steckt sie in eine durchsichtige Plastiktüte. Die schwarze Kapuze des Vergewaltigers, die neben der Matratze liegt, steckt er in eine weitere Tüte.
    Mir fällt auf, dass ich schwarze Sachen trage, Pullover und H osen, die mir bekannt vorkommen. Die Hosen sind vorne offen und von weißen Flecken verklebt. Ich ahne, dass ein falscher Eindruck entstanden sein könnte – hatte entstehen sollen! Ich versuche etwas zu sagen. Die Stimme kippt mir, der Kopf dröhnt im Gleichklang mit den Stimmbändern. Einer der Polizisten, offenbar der Einsatzleiter, wirft mir einen angewiderten Blick zu und gibt den beiden Polizisten neben mir eine Anweisung. Sie greifen mich wieder unter den Achseln und führen mich zur Tür und die Treppen hinunter. Um mich kümmert der Arzt sich nicht, er schaut mich nicht mal an. Keine Trage für mich, kein Krankenwagen. Der fährt gerade mit Blaulicht davon, als wir zur Haustür kommen. So also sieht das hier aus, schäbiger als hinter der Augenbinde vermutet, offenbar nicht mehr bewohnt, ein Eldorado für Vergewaltiger. Vor dem Block drei Polizeiwagen. Raureif an den Bäumen, die Sonne dahinter, es glitzert, ein Winteridyll.
    „Ich bin das nicht gewesen“, krächze ich dem Polizisten rechts neben mir zu. Weiße Wölkchen schlagen aus meinem Mund. Er beac htet mich nicht. Ich wende mich an den linken: „Ich bin entführt worden. Der Haupttäter heißt Peter Honkes.“
    Keine Reaktion.
    Ich drehe den Kopf nach dem Einsatzleiter, rufe sinnlos in die Gegend: „Spricht denn hier keiner deutsch?“
    Wie sagt man in Kr imis noch?
    „Sie machen einen

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