Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte
Fehler!“
Kümmert keinen, schon sitze ich im Einsatzwagen. Es ist eine Qual zu sitzen.
...du hast mich in deinem Land ins Gefängnis gebracht...
O Gott!
Irgendwie drehe ich durch, Informationen und Wertigkeiten g ehen durcheinander.
„Wir sind geflogen“, rufe ich, „ich muss mal aufs Klo!“
„Meine Hand“, rufe ich, „sehen Sie denn nicht, ich brauche einen Arzt!“
„Ich kann Ihnen eine Telefonnummer geben“, rufe ich, „wenn Sie mir nicht glauben, Sie werden schon sehen!“
Die Kraft geht mir aus, ich sinke in mich zusammen und resigniere. Meine rechte Hand liegt wie tot auf meinem Schoß. Ich schaue in das schwarze Loch an meinem Gelenk, die ganze Welt wird schwarz. Ich weiß nur noch, wie ich vornüber sinke.
Das nächste, was ich sah, wer weiß wie viele Stunden später, war über mir eine graue, unverputzte Betondecke und links neben mir desgleichen als Wand. Es war ein Erwachen, wie ich die Tage davor viele erlebt hatte: Nach einem Filmriss geht die Handlung an anderer Stelle weiter. Man ist plötzlich wieder da, aber ganz woanders. Man befindet sich nicht an einem Ort, an dem man sich aus freiem Willen heraus niedergelegt hatte in der Gewissheit, genau dort auch wieder zu erwachen, und zwar erholt und voll neuer Kraft. Man ist auch nicht eingeschlafen, sondern aus dem Bewusstsein gerissen und dann transportiert worden. Andere haben entschieden, wo man wieder zu sich kommt und in welcher äußeren Verfassung.
Und doch war dieses Erwachen anders. Es ging einher mit einer A hnung, vorerst, rein räumlich, zur Ruhe gekommen zu sein; und da war noch etwas, ein Gefühl, das mir damals nichts sagte, das ich erst viel später als Einschnitt deuten lernte: Ich hatte angefangen, ein anderer zu werden. Es mochten acht bis zehn Tage vergangen sein, seit mein gewohntes Leben aufgehört hatte, vielleicht auch viel weniger, aber ich war nicht mehr der Frank Fercher, der ich in dem Zwischenstadium seit dem CbT-Erlebnis gewesen war, und schon gar nicht war ich der aus den Jahren davor.
Ich lag auf einer Matratze, halb zugedeckt mit einer braunen, kratzigen Wolldecke. Mein rechter Arm steckte vom Ellbogen bis zu den Fingern in einem festen braunen Verband. Die Bisswunde bran nte und pochte. Mit dem linken Arm zog ich mir die Decke vom Oberkörper, rollte mich auf die rechte Seite, ließ meine Beine über die Kante des Lagers baumeln, auf dem ich mich vorgefunden hatte, tastete mit den Füßen nach einem Boden und richtete mich auf.
Schlagartig spielte mein Kreislauf verrückt. Ich kämpfte dagegen an, vornüber zu kippen, klammerte mich mit der linken Hand an dem kalten Metallrohr unter der Matratze fest, e rkämpfte mir mein Augenlicht zurück und wehrte mich gegen das Rauschen in den Ohren.
Ich behielt das Bewusstsein, das Wogen und Brausen ging vo rbei. Was blieb, waren ein schummriger Kopfschmerz wie nach einer durchzechten Nacht und eine ungesunde Hitze im Gesicht. An meinem Oberkörper entdeckte ich eine Art Kittel aus festem blauem Stoff. Der rechte Ärmel war bis knapp über den Verband hochgekrempelt. Meine untere Hälfte steckte in durchgelatschten Stiefeln und viel zu weiten Hosen, die mit einem Gürtel zusammengezurrt und an mehreren Stellen geflickt waren. Die Kleider rochen nicht gerade frisch, aber waren gereinigt; meine Haut darunter klebte vor altem, getrocknetem Schweiß.
Eine Gefängniszelle, ganz klar. Fensterlos, ringsum Beton. Eine nackte Toilettenschüssel, darüber eine kalt leuchtende Glühbirne. Rechts von mir eine Stahltür mit vergittertem Fe nsterchen, davor eine Klappe. Ein Holzstuhl, ein Holztischchen, darauf ein Krug Wasser und zwei Scheiben Brot: Knast-Stillleben, fast schon romantisch.
Ich musste dringend aufs Klo, aber befürchtete, die zwei M eter ins Eck nicht zu schaffen. Wasser und Brot standen in Reichweite. Ich nahm einen Schluck, noch einen, biss in eine der hart getrockneten Brotscheiben. Noch im Kauen wurde mir speiübel. Ich machte einen Satz Richtung Klo. Die Beine sackten mir weg. Ich musste auf zwei Knien und einem Arm zur Schüssel kriechen, das Brot ausspucken und mich übergeben, sprich: es erdulden, wie mein Magen in hilflosen Reflexen auswringen wollte, was gar nicht in ihm war.
Es wurde mir heiß und kalt. Frischer Schweiß verflüssi gte den längst getrockneten neu. Ich fühlte mich wie in Klebstoff getaucht. Die Bisswunde fing an toben. Kniend und vornüber gebeugt mit dem linken Arm halb in der Kloschüssel, verharrte ich lange. Ich
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