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Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte

Titel: Der Mann, der mein Leben zum Entgleisen brachte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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durch mehrere Radarzonen – verflucht, irgendwie musste auch damit umzugehen sein!
    Wie wenig ich auf „Geht nicht gibt’s nicht“ bauen konnte in di eser Situation, las ich in den Augen des Pastors, als er mich bei meinem ersten Ausflug im Dorf erwischte.
    Es war weniger die Frühlingssonne gewesen, die mich gelockt ha tte, noch die Tatsache, dass ich mich so kräftig und umtriebig und neugierig fühlte wie ein Bub – ich hatte Linas ständige Gegenwart nicht mehr ertragen können. Es provozierte mich von Tag zu Tag mehr, dass sie es so gut mit mir meinte. Ich hatte das Bedürfnis, ihr etwas heimzuzahlen. Ich war zu gemeinen Streichen aufgelegt. Als sie die Bibel beiseite legte und durch die Hintertür verschwand, in den Garten oder Hinterhof, der sich dort befand, keine Ahnung, ich hatte noch keinen Blick nach hinten geworfen, da schaute ich, was wohl in dem kastenartigen Holzschrank war, der neben dem Bett stand, fand Arbeitshosen, kragenlose Hemden, eine Jacke und Stiefel, zog mich an und ging durch.
    Das Dorf bestand aus einer breiten, ungeteerten, geraden Str aße, die von kleinen, ärmlichen, aber gut gepflegten Häuschen gesäumt war. Es wehte ein kühler Wind, der mich frösteln ließ, aber mit Optimismus erfüllte. Ich reckte meine Nase in die Brise, atmete tief ein und genoss es, mich frei und gesund zu fühlen. Rechts von Linas Haus, vielleicht 500 Meter entfernt, stand die Kirche. Ich beschloss, den Pastor zu überraschen. Er aber überraschte mich: Er kam aus einem der Häuser, sah mich, kam zu mir herüber, packte mich am gesunden Arm und zog mich in Richtung Gotteshaus.
    „Kannst froh sein, mein Junge, dass alle auf den Feldern oder in den Ställen sind. Oder krank, wie die arme Magda Scheunert, von der ich gerade komme.“
    „Wieso, gibt es hier im Dorf auch Spitzel?“
    „Ich hoffe nicht. Aber willst du es riskieren?“
    „Ich kann mich nicht dauernd nur verstecken.“
    „Aber vorsichtig kannst sein. Komm mit, gehen wir in die Ki rche.“
    Er legte mir die Hand an den Rücken und drängte mich in Ric htung Eingang. Die Berührung war mir unangenehm. Auf einmal wurde mir klar, dass ich diesen Menschen nicht ausstehen konnte, und das irritierte mich. Von zu Hause aus war er mir sympathisch gewesen, seine Stimme hatte einen angenehmen Klang, und als ich im Labor seine Stimme wiederhörte, war das wie eine Erlösung gewesen. Sein Anblick hatte diesen Eindruck zerstört. Das war ein anderer Mensch mit der selben Stimme gewesen, und egal was er sagte mit dieser Stimme, es verursachte mir Unwohlsein. Dass er mich von Anfang an duzte, fand ich peinlich, nie würde ich diese Vertraulichkeit erwidern.
    Da war nichts an seinem Aussehen, das meine Abneigung hätte b egründen können, außer vielleicht das ständige Herumkratzen an seinem Leberfleck auf der Stirn. Aber diese Abneigung verstärkte meinen Wunsch, so schnell wie möglich nach Hause aufzubrechen. Er öffnete mir die Tür, und es schlug mir der unverkennbare Kirchengeruch entgegen. Von den Wänden blätterte der Putz. Einige Steinplatten des Fußbodens waren lose. Die Sitzbänke aber waren brandneu. Es hallte, als er die Tür hinter uns schloss. Er führte mich zur vordersten Bankreihe, wir setzten uns.
    „Ich habe nachgedacht. Ich kann mir vorstellen, dass die Polizei sogar froh ist, dich los zu sein. Die Gefängnisse hier sind übe rbelegt. Die werden deine Akte bald schließen. Wenn du so lange hierbleibst, können wir versuchen, dich rauszubringen über die Ostgrenze und dann auf Umwegen zurück nach Deutschland.“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Nein, ich will so schnell wie möglich zurück. Meine Frau hat keine Ahnung, was aus mir geworden ist. Ich will sie und meinen Sohn nicht länger als nötig im Unklaren lassen.“
    Der Pastor schaute mich an als wisse er genau, dass ich log. Mel anie war nicht der Grund für meine Ungeduld, nicht mal Mirko. Honkes war der Grund. Und dass es einfach nicht richtig war hier zu sein. Mein gewohntes Leben, aus dem ich mich seit Jahren herausgewünscht hatte, vielleicht sogar in ein Abenteuer wie dieses, auf einmal vermisste ich es. Er hob die Schultern.
    „Wenn ich einen Weg wüsste...“
    „Wann kommt denn der nächste Hilfstransport?“
    Er schaute mich an und schob den Unterkiefer hin und her.
    „Du meinst...“
    „Würde mich Pastor Petrowna nicht mit zurücknehmen, wenn Sie ihn darum bitten? Ich würde mich erkenntlich zeigen, sehr erkenn tlich. Ich bin reicher als sie es sich auch nur

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